nicht wieder herausließ, so konnte er nur sehr selten jemand finden, der es besehen wollte.
Der gute Sebaldus, der von aller Kennerschaft weit entfernt war, mußte, unter manchem Gähnen und Räuspern, wirklich über fünf Stunden aushalten. Zuerst ward er in einen Saal geführt, wo verschiedene Abgüsse von berühmten antiken Bildsäulen aufgestellt waren. ,Man muß damit, sagte der Besitzer, schon "zufrieden seyn, weil man die Originale nicht haben "kann.' Er gieng ziemlich geschwind dabey vorüber, doch fuhr er seiner Venus von Medicis sanft über den Rücken herunter, und fragte den ganz erstaunten Sebaldus, ob ihm derselben Hintertheile auch so wohl gefielen, als dem gelehrten Smollet.*) Ohne Antwort zu erwarten, wandte er sich schnell zu seinen geliebten originalen Antiken, bey deren Deutung er sich weitläufig aufhielt. Da war mehr als eine dick- bäuchige Venus, und dickplünschige Minerva, des- gleichen verschiedne Apolle, die wie Schneidergesellen aussahen, breitschultrige Merkure, und Jupiter mit spitzen Stirnen und aufgestutzten Nasen. Von da kamen sie in verschiedene Zimmer voll zerbrochner Ur- nen, Töpfe und Teller, voll rostiger Degenklingen und
Beile,
*) S. Smollets Reisen, nach der Deutschen Uebersetzung. S. 297.
nicht wieder herausließ, ſo konnte er nur ſehr ſelten jemand finden, der es beſehen wollte.
Der gute Sebaldus, der von aller Kennerſchaft weit entfernt war, mußte, unter manchem Gaͤhnen und Raͤuſpern, wirklich uͤber fuͤnf Stunden aushalten. Zuerſt ward er in einen Saal gefuͤhrt, wo verſchiedene Abguͤſſe von beruͤhmten antiken Bildſaͤulen aufgeſtellt waren. ‚Man muß damit, ſagte der Beſitzer, ſchon ”zufrieden ſeyn, weil man die Originale nicht haben ”kann.‛ Er gieng ziemlich geſchwind dabey voruͤber, doch fuhr er ſeiner Venus von Medicis ſanft uͤber den Ruͤcken herunter, und fragte den ganz erſtaunten Sebaldus, ob ihm derſelben Hintertheile auch ſo wohl gefielen, als dem gelehrten Smollet.*) Ohne Antwort zu erwarten, wandte er ſich ſchnell zu ſeinen geliebten originalen Antiken, bey deren Deutung er ſich weitlaͤufig aufhielt. Da war mehr als eine dick- baͤuchige Venus, und dickpluͤnſchige Minerva, des- gleichen verſchiedne Apolle, die wie Schneidergeſellen ausſahen, breitſchultrige Merkure, und Jupiter mit ſpitzen Stirnen und aufgeſtutzten Naſen. Von da kamen ſie in verſchiedene Zimmer voll zerbrochner Ur- nen, Toͤpfe und Teller, voll roſtiger Degenklingen und
Beile,
*) S. Smollets Reiſen, nach der Deutſchen Ueberſetzung. S. 297.
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nicht wieder herausließ, ſo konnte er nur ſehr ſelten
jemand finden, der es beſehen wollte.
Der gute Sebaldus, der von aller Kennerſchaft
weit entfernt war, mußte, unter manchem Gaͤhnen
und Raͤuſpern, wirklich uͤber fuͤnf Stunden aushalten.
Zuerſt ward er in einen Saal gefuͤhrt, wo verſchiedene
Abguͤſſe von beruͤhmten antiken Bildſaͤulen aufgeſtellt
waren. ‚Man muß damit, ſagte der Beſitzer, ſchon
”zufrieden ſeyn, weil man die Originale nicht haben
”kann.‛ Er gieng ziemlich geſchwind dabey voruͤber,
doch fuhr er ſeiner Venus von Medicis ſanft uͤber den
Ruͤcken herunter, und fragte den ganz erſtaunten
Sebaldus, ob ihm derſelben Hintertheile auch ſo
wohl gefielen, als dem gelehrten Smollet. *) Ohne
Antwort zu erwarten, wandte er ſich ſchnell zu ſeinen
geliebten originalen Antiken, bey deren Deutung er
ſich weitlaͤufig aufhielt. Da war mehr als eine dick-
baͤuchige Venus, und dickpluͤnſchige Minerva, des-
gleichen verſchiedne Apolle, die wie Schneidergeſellen
ausſahen, breitſchultrige Merkure, und Jupiter mit
ſpitzen Stirnen und aufgeſtutzten Naſen. Von da
kamen ſie in verſchiedene Zimmer voll zerbrochner Ur-
nen, Toͤpfe und Teller, voll roſtiger Degenklingen und
Beile,
*) S. Smollets Reiſen, nach der Deutſchen Ueberſetzung.
S. 297.
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/226>, abgerufen am 16.02.2025.
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