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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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Frende, seine Tochter wiedergefunden zu haben, ganz
verjünget war, setzte sich, alles Zuredens ungeachtet,
auf des Verwalters Pferd, und trabte neben dem
Wagen her. Da ihm dieß in kurzem beschwerlich
ward, so kam er auf den Gedanken voranzureiten,
und in dem Dorfe, wo sie den Mittag anzuhalten
gedachten, die Mittagsmahlzeit zu bestellen. Der
Kutscher bezeichnete es ihm sehr genau, und versi-
cherte, daß der Weg nicht zu versehlen sey. Sebal-
dus
stieß also sein Thier in die Seite, und sie ver-
loren ihn bald aus den Gesichte.

Als sie Mittags im Dorse ankamen, fanden sie,
daß keine Mittagsmahlzeit bestellt war, und, was
noch mehr, daß niemand den Sebaldus gesehen
hatte. Mariane und Hieronymus wurden da-
durch nicht wenig beunruhigt. Nachdem sie ein Paar
Stunden gewartet hatten, schickten sie einige Bauern
auf verschiedenen Wegen aus, die aber zurück kamen,
ohne etwas von ihm gehört zu haben; wodurch ihre
Angst nicht weuig vermehrt ward. Sie warteten
diesen und den folgenden Tag auf ihn; da er aber
nicht erschien, so reiseten sie in großer Bekümmer-
niß weiter, nachdem sie eine Nachricht für ihn zu-
rückgelassen hatten.

Sie



Frende, ſeine Tochter wiedergefunden zu haben, ganz
verjuͤnget war, ſetzte ſich, alles Zuredens ungeachtet,
auf des Verwalters Pferd, und trabte neben dem
Wagen her. Da ihm dieß in kurzem beſchwerlich
ward, ſo kam er auf den Gedanken voranzureiten,
und in dem Dorfe, wo ſie den Mittag anzuhalten
gedachten, die Mittagsmahlzeit zu beſtellen. Der
Kutſcher bezeichnete es ihm ſehr genau, und verſi-
cherte, daß der Weg nicht zu verſehlen ſey. Sebal-
dus
ſtieß alſo ſein Thier in die Seite, und ſie ver-
loren ihn bald aus den Geſichte.

Als ſie Mittags im Dorſe ankamen, fanden ſie,
daß keine Mittagsmahlzeit beſtellt war, und, was
noch mehr, daß niemand den Sebaldus geſehen
hatte. Mariane und Hieronymus wurden da-
durch nicht wenig beunruhigt. Nachdem ſie ein Paar
Stunden gewartet hatten, ſchickten ſie einige Bauern
auf verſchiedenen Wegen aus, die aber zuruͤck kamen,
ohne etwas von ihm gehoͤrt zu haben; wodurch ihre
Angſt nicht weuig vermehrt ward. Sie warteten
dieſen und den folgenden Tag auf ihn; da er aber
nicht erſchien, ſo reiſeten ſie in großer Bekuͤmmer-
niß weiter, nachdem ſie eine Nachricht fuͤr ihn zu-
ruͤckgelaſſen hatten.

Sie
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[190/0202] Frende, ſeine Tochter wiedergefunden zu haben, ganz verjuͤnget war, ſetzte ſich, alles Zuredens ungeachtet, auf des Verwalters Pferd, und trabte neben dem Wagen her. Da ihm dieß in kurzem beſchwerlich ward, ſo kam er auf den Gedanken voranzureiten, und in dem Dorfe, wo ſie den Mittag anzuhalten gedachten, die Mittagsmahlzeit zu beſtellen. Der Kutſcher bezeichnete es ihm ſehr genau, und verſi- cherte, daß der Weg nicht zu verſehlen ſey. Sebal- dus ſtieß alſo ſein Thier in die Seite, und ſie ver- loren ihn bald aus den Geſichte. Als ſie Mittags im Dorſe ankamen, fanden ſie, daß keine Mittagsmahlzeit beſtellt war, und, was noch mehr, daß niemand den Sebaldus geſehen hatte. Mariane und Hieronymus wurden da- durch nicht wenig beunruhigt. Nachdem ſie ein Paar Stunden gewartet hatten, ſchickten ſie einige Bauern auf verſchiedenen Wegen aus, die aber zuruͤck kamen, ohne etwas von ihm gehoͤrt zu haben; wodurch ihre Angſt nicht weuig vermehrt ward. Sie warteten dieſen und den folgenden Tag auf ihn; da er aber nicht erſchien, ſo reiſeten ſie in großer Bekuͤmmer- niß weiter, nachdem ſie eine Nachricht fuͤr ihn zu- ruͤckgelaſſen hatten. Sie

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/202>, abgerufen am 24.11.2024.