Zuletzt sagte er zum Sebaldus, indem er ihm im Stiefel ein geheimes Täschchen zeigte, worinn er sein Gold verwahret hatte: ,Sehen Sie nun, wie der Herr "die Gottlosen mit Blindheit schlägt. Jst nicht dieß "Gold durch ein Wunder gerettet worden?' Hier zog er seinen Stiefel an, und stand auf.
Sebaldus versetzte: ,Jch finde, daß der Stand "der Natur und der Gnade, wie Sie vorher be- "merkten, wirklich unterschieden ist. Jch natürlicher "Mensch kann den Verlust meines Geldes ruhig er- "tragen. Es waren freylich nur wenige Groschen, "aber mein letzter Heller ist mit weg. Jhnen ist noch "weit mehr übrig geblieben, als ich vorher hatte. Ey| "Ey! ein Wiedergeborner sollte wenigstens nicht "fluchen!'
Der Pietist ward feuerroth, und sagte stotternd: "Die Bösewichter verdienen den Fluch, daß sie, wie "Sie vorher ganz recht sagten, Menschen wie wilde "Thiere anfallen, da wir uns einander unterstützen "sollten. Ach! und das wenige Gold hat der Herr "nicht meinetwegen mir so wunderbarlich erhalten, son- "dern um nothleidender Brüder und Schwestern wil-
"len,
aus sichern Nachrichten erhellet, er sey der Meinung gewesen,- daß das Kirchengebet überhaupt keine Krank- heiten lindere.
Zuletzt ſagte er zum Sebaldus, indem er ihm im Stiefel ein geheimes Taͤſchchen zeigte, worinn er ſein Gold verwahret hatte: ‚Sehen Sie nun, wie der Herr ”die Gottloſen mit Blindheit ſchlaͤgt. Jſt nicht dieß ”Gold durch ein Wunder gerettet worden?‛ Hier zog er ſeinen Stiefel an, und ſtand auf.
Sebaldus verſetzte: ‚Jch finde, daß der Stand ”der Natur und der Gnade, wie Sie vorher be- ”merkten, wirklich unterſchieden iſt. Jch natuͤrlicher ”Menſch kann den Verluſt meines Geldes ruhig er- ”tragen. Es waren freylich nur wenige Groſchen, ”aber mein letzter Heller iſt mit weg. Jhnen iſt noch ”weit mehr uͤbrig geblieben, als ich vorher hatte. Ey| ”Ey! ein Wiedergeborner ſollte wenigſtens nicht ”fluchen!‛
Der Pietiſt ward feuerroth, und ſagte ſtotternd: ”Die Boͤſewichter verdienen den Fluch, daß ſie, wie ”Sie vorher ganz recht ſagten, Menſchen wie wilde ”Thiere anfallen, da wir uns einander unterſtuͤtzen ”ſollten. Ach! und das wenige Gold hat der Herr ”nicht meinetwegen mir ſo wunderbarlich erhalten, ſon- ”dern um nothleidender Bruͤder und Schweſtern wil-
”len,
aus ſichern Nachrichten erhellet, er ſey der Meinung geweſen,- daß das Kirchengebet überhaupt keine Krank- heiten lindere.
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Zuletzt ſagte er zum Sebaldus, indem er ihm im
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Gold verwahret hatte: ‚Sehen Sie nun, wie der Herr
”die Gottloſen mit Blindheit ſchlaͤgt. Jſt nicht dieß
”Gold durch ein Wunder gerettet worden?‛ Hier zog
er ſeinen Stiefel an, und ſtand auf.
Sebaldus verſetzte: ‚Jch finde, daß der Stand
”der Natur und der Gnade, wie Sie vorher be-
”merkten, wirklich unterſchieden iſt. Jch natuͤrlicher
”Menſch kann den Verluſt meines Geldes ruhig er-
”tragen. Es waren freylich nur wenige Groſchen,
”aber mein letzter Heller iſt mit weg. Jhnen iſt noch
”weit mehr uͤbrig geblieben, als ich vorher hatte. Ey|
”Ey! ein Wiedergeborner ſollte wenigſtens nicht
”fluchen!‛
Der Pietiſt ward feuerroth, und ſagte ſtotternd:
”Die Boͤſewichter verdienen den Fluch, daß ſie, wie
”Sie vorher ganz recht ſagten, Menſchen wie wilde
”Thiere anfallen, da wir uns einander unterſtuͤtzen
”ſollten. Ach! und das wenige Gold hat der Herr
”nicht meinetwegen mir ſo wunderbarlich erhalten, ſon-
”dern um nothleidender Bruͤder und Schweſtern wil-
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*) aus ſichern Nachrichten erhellet, er ſey der Meinung
geweſen,- daß das Kirchengebet überhaupt keine Krank-
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/20>, abgerufen am 17.02.2025.
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