Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775."weit entfernten Verwandten ihre Zuflucht nehmen "wollen. Von Gram und Nachtwachen entkräftet, "ist sie unterweges so krank geworden, daß sie, ohne "Lebensgefahr, nicht weiter reisen konnte. Die Grä- "finn, die den Beweis ihrer Aussage in einigen "Briefschaften, die sie bey sich gehabt, gefunden hat, "ist sehr gerührt. Sie hat mich vorausgeschickt, um "einen Wagen anspannen zu lassen, und einen Reit- "knecht nach der Stadt zu senden, einen Arzt zu ho- "len. Sie läßt sich bey der Gesellschaft, ihres lan- "gen Außenbleibens wegen, entschuldigen. Sie will "die Kranke selbst nach dem Schlosse begleiten.' Säuglingen trat eine mitleidige Thräne ins Auge, ,Mein
”weit entfernten Verwandten ihre Zuflucht nehmen ”wollen. Von Gram und Nachtwachen entkraͤftet, ”iſt ſie unterweges ſo krank geworden, daß ſie, ohne ”Lebensgefahr, nicht weiter reiſen konnte. Die Graͤ- ”finn, die den Beweis ihrer Ausſage in einigen ”Briefſchaften, die ſie bey ſich gehabt, gefunden hat, ”iſt ſehr geruͤhrt. Sie hat mich vorausgeſchickt, um ”einen Wagen anſpannen zu laſſen, und einen Reit- ”knecht nach der Stadt zu ſenden, einen Arzt zu ho- ”len. Sie laͤßt ſich bey der Geſellſchaft, ihres lan- ”gen Außenbleibens wegen, entſchuldigen. Sie will ”die Kranke ſelbſt nach dem Schloſſe begleiten.‛ Saͤuglingen trat eine mitleidige Thraͤne ins Auge, ‚Mein
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”weit entfernten Verwandten ihre Zuflucht nehmen
”wollen. Von Gram und Nachtwachen entkraͤftet,
”iſt ſie unterweges ſo krank geworden, daß ſie, ohne
”Lebensgefahr, nicht weiter reiſen konnte. Die Graͤ-
”finn, die den Beweis ihrer Ausſage in einigen
”Briefſchaften, die ſie bey ſich gehabt, gefunden hat,
”iſt ſehr geruͤhrt. Sie hat mich vorausgeſchickt, um
”einen Wagen anſpannen zu laſſen, und einen Reit-
”knecht nach der Stadt zu ſenden, einen Arzt zu ho-
”len. Sie laͤßt ſich bey der Geſellſchaft, ihres lan-
”gen Außenbleibens wegen, entſchuldigen. Sie will
”die Kranke ſelbſt nach dem Schloſſe begleiten.‛
Saͤuglingen trat eine mitleidige Thraͤne ins Auge,
der Oberſte aber drehte ſich auf einem Abſatze herum,
und das Fraͤulein, deſſen innerer Unmuth aufs hoͤch-
ſte geſtiegen war, fuhr hart heraus: ‚Die Graͤfinn
”beweiſet in der That eine uͤbertriebene Guͤtigkeit,
”daß ſie alles Geſindel bey ſich aufnimmt. Eine
”Perſon von der Landſtraße! — Am Ende gehts Per-
”ſonen ſo, die ſich uͤber ihren Stand erheben wollen.
”Wer weiß, wo ſie Kammermaͤdchen oder Geſell-
”ſchaftsjungfer geweſen iſt. — Es iſt Zeit, daß wir
”abreiſen, denn die Geſellſchaft‛, — — Hier nahm
ſie eine Priſe zur Contenanz, ließ ihre Doſe fal-
len, und rief Marianen:
‚Mein
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