"sind, die in Deutschland Französisch schreiben: in "Frankreich fremd, in Deutschland nicht zu Hause. "C'est a Paris qu'il faut ecrire! ruft der Franzose mit "vollen Backen, und wenn er von seiner Sprache "redet, mag er immer Recht haben.'
Unter diesem Gespräche erreichten sie eine Laube, wo sie sich niedersetzten, und kurz darauf kam ein Be- dienter, der Gräfinn zu melden, daß von der durch- fahrenden Landkutsche ein wohlgebildetes aber tod- krankes Frauenzimmer bey dem Prediger sey abgesetzt worden. Die Gräfinn, bey welcher Handlungen der Wohlthätigkeit allen Vergnügungen vorgiengen, be- gab sich sogleich dahin, und nahm Marianen mit sich.
Jn ihrer Abwesenheit nahm das Gespräch eine nicht sehr angenehme Wendung. Das Fräulein hatte mit dem Obersten über ihr beiderseitiges Mißver- gnügen kurz vorher eine Erläuterung unter vier Angen gehabt, die ihre gute Laune eben nicht ver- mehrt hatte. Sie war von Natur eigensinnig und auffahrend, wie sichs auch für eine Petitemaitresse gebührt; nun aber war sie dadurch, daß man ihren Reizungen den Sieg streitig machen wollte, äußerst bitter geworden, und ließ itzt ihren Zorn, durch eine Menge anzüglicher Spöttereyen über Säuglings un- veränderliche Ergebenheit gegen Marianen, aus-
brechen.
”ſind, die in Deutſchland Franzoͤſiſch ſchreiben: in ”Frankreich fremd, in Deutſchland nicht zu Hauſe. ”C’eſt à Paris qu’il faut ecrire! ruft der Franzoſe mit ”vollen Backen, und wenn er von ſeiner Sprache ”redet, mag er immer Recht haben.‛
Unter dieſem Geſpraͤche erreichten ſie eine Laube, wo ſie ſich niederſetzten, und kurz darauf kam ein Be- dienter, der Graͤfinn zu melden, daß von der durch- fahrenden Landkutſche ein wohlgebildetes aber tod- krankes Frauenzimmer bey dem Prediger ſey abgeſetzt worden. Die Graͤfinn, bey welcher Handlungen der Wohlthaͤtigkeit allen Vergnuͤgungen vorgiengen, be- gab ſich ſogleich dahin, und nahm Marianen mit ſich.
Jn ihrer Abweſenheit nahm das Geſpraͤch eine nicht ſehr angenehme Wendung. Das Fraͤulein hatte mit dem Oberſten uͤber ihr beiderſeitiges Mißver- gnuͤgen kurz vorher eine Erlaͤuterung unter vier Angen gehabt, die ihre gute Laune eben nicht ver- mehrt hatte. Sie war von Natur eigenſinnig und auffahrend, wie ſichs auch fuͤr eine Petitemaitreſſe gebuͤhrt; nun aber war ſie dadurch, daß man ihren Reizungen den Sieg ſtreitig machen wollte, aͤußerſt bitter geworden, und ließ itzt ihren Zorn, durch eine Menge anzuͤglicher Spoͤttereyen uͤber Saͤuglings un- veraͤnderliche Ergebenheit gegen Marianen, aus-
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”Frankreich fremd, in Deutſchland nicht zu Hauſe.
”C’eſt à Paris qu’il faut ecrire! ruft der Franzoſe mit
”vollen Backen, und wenn er von ſeiner Sprache
”redet, mag er immer Recht haben.‛
Unter dieſem Geſpraͤche erreichten ſie eine Laube,
wo ſie ſich niederſetzten, und kurz darauf kam ein Be-
dienter, der Graͤfinn zu melden, daß von der durch-
fahrenden Landkutſche ein wohlgebildetes aber tod-
krankes Frauenzimmer bey dem Prediger ſey abgeſetzt
worden. Die Graͤfinn, bey welcher Handlungen der
Wohlthaͤtigkeit allen Vergnuͤgungen vorgiengen, be-
gab ſich ſogleich dahin, und nahm Marianen mit ſich.
Jn ihrer Abweſenheit nahm das Geſpraͤch eine
nicht ſehr angenehme Wendung. Das Fraͤulein hatte
mit dem Oberſten uͤber ihr beiderſeitiges Mißver-
gnuͤgen kurz vorher eine Erlaͤuterung unter vier
Angen gehabt, die ihre gute Laune eben nicht ver-
mehrt hatte. Sie war von Natur eigenſinnig und
auffahrend, wie ſichs auch fuͤr eine Petitemaitreſſe
gebuͤhrt; nun aber war ſie dadurch, daß man ihren
Reizungen den Sieg ſtreitig machen wollte, aͤußerſt
bitter geworden, und ließ itzt ihren Zorn, durch eine
Menge anzuͤglicher Spoͤttereyen uͤber Saͤuglings un-
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/184>, abgerufen am 16.02.2025.
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