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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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Sie pflegen sich mit Artigkeit
Jn das Gedächtniß einzuschleichen,
Darinn zu bleiben, und nicht weit
Den großen Versen auszuweichen.

Gr. Ach! das ist meine Meinung gar nicht. Die
kleinen Dingerchen sind so voll kalter Tändeleyen.
Meinen Sie denn, daß dem Frauenzimmer das Süße
und Tändelhafte so sehr gefällt? Wir sind nun frey-
lich, weil es Jhrem Geschlechte so beliebt, das schwä-
chere, aber glauben Sie mir, wir lieben an uns selbst
die Schwäche nur, in so fern sie uns schön und nied-
lich macht, und ich weiß nicht, obs nicht gar bloße
Eitelkeit bey uns ist, daß wir nicht wollen, daß die
Mannspersonen schön und niedlich seyn sollen. Wis-
sen Sie wohl, Säugling, daß Sie zu schön sind, und
daß ich auf Sie eifersüchtig bin. Wenn Sie mich be-
ruhigen wollen, waschen Sie sich nicht mehr mit Es-
senzen, und lassen Sie sich ein wenig von der Sonne
verbrennen. Hören Sie wohl, schreiben Sie mir
eine gute derbe Prose, so für den gesunden Men-
schenverstand, ohne Niedlichkeit. Oder, nehmen
Sie sich in acht! wenn Sie mich böse machen, ver-
damme ich sie zum großen Amboß --

Jndem die Gräfinn dieses sagte, erblickte sie das
Fräulein und den Obersten, die aus einer benachbar-
ten Allee auf sie zukamen.

-- ,Kom-


Sie pflegen ſich mit Artigkeit
Jn das Gedaͤchtniß einzuſchleichen,
Darinn zu bleiben, und nicht weit
Den großen Verſen auszuweichen.

Gr. Ach! das iſt meine Meinung gar nicht. Die
kleinen Dingerchen ſind ſo voll kalter Taͤndeleyen.
Meinen Sie denn, daß dem Frauenzimmer das Suͤße
und Taͤndelhafte ſo ſehr gefaͤllt? Wir ſind nun frey-
lich, weil es Jhrem Geſchlechte ſo beliebt, das ſchwaͤ-
chere, aber glauben Sie mir, wir lieben an uns ſelbſt
die Schwaͤche nur, in ſo fern ſie uns ſchoͤn und nied-
lich macht, und ich weiß nicht, obs nicht gar bloße
Eitelkeit bey uns iſt, daß wir nicht wollen, daß die
Mannsperſonen ſchoͤn und niedlich ſeyn ſollen. Wiſ-
ſen Sie wohl, Saͤugling, daß Sie zu ſchoͤn ſind, und
daß ich auf Sie eiferſuͤchtig bin. Wenn Sie mich be-
ruhigen wollen, waſchen Sie ſich nicht mehr mit Eſ-
ſenzen, und laſſen Sie ſich ein wenig von der Sonne
verbrennen. Hoͤren Sie wohl, ſchreiben Sie mir
eine gute derbe Proſe, ſo fuͤr den geſunden Men-
ſchenverſtand, ohne Niedlichkeit. Oder, nehmen
Sie ſich in acht! wenn Sie mich boͤſe machen, ver-
damme ich ſie zum großen Amboß

Jndem die Graͤfinn dieſes ſagte, erblickte ſie das
Fraͤulein und den Oberſten, die aus einer benachbar-
ten Allee auf ſie zukamen.

— ‚Kom-
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[172/0182] Sie pflegen ſich mit Artigkeit Jn das Gedaͤchtniß einzuſchleichen, Darinn zu bleiben, und nicht weit Den großen Verſen auszuweichen. Gr. Ach! das iſt meine Meinung gar nicht. Die kleinen Dingerchen ſind ſo voll kalter Taͤndeleyen. Meinen Sie denn, daß dem Frauenzimmer das Suͤße und Taͤndelhafte ſo ſehr gefaͤllt? Wir ſind nun frey- lich, weil es Jhrem Geſchlechte ſo beliebt, das ſchwaͤ- chere, aber glauben Sie mir, wir lieben an uns ſelbſt die Schwaͤche nur, in ſo fern ſie uns ſchoͤn und nied- lich macht, und ich weiß nicht, obs nicht gar bloße Eitelkeit bey uns iſt, daß wir nicht wollen, daß die Mannsperſonen ſchoͤn und niedlich ſeyn ſollen. Wiſ- ſen Sie wohl, Saͤugling, daß Sie zu ſchoͤn ſind, und daß ich auf Sie eiferſuͤchtig bin. Wenn Sie mich be- ruhigen wollen, waſchen Sie ſich nicht mehr mit Eſ- ſenzen, und laſſen Sie ſich ein wenig von der Sonne verbrennen. Hoͤren Sie wohl, ſchreiben Sie mir eine gute derbe Proſe, ſo fuͤr den geſunden Men- ſchenverſtand, ohne Niedlichkeit. Oder, nehmen Sie ſich in acht! wenn Sie mich boͤſe machen, ver- damme ich ſie zum großen Amboß — Jndem die Graͤfinn dieſes ſagte, erblickte ſie das Fraͤulein und den Oberſten, die aus einer benachbar- ten Allee auf ſie zukamen. — ‚Kom-

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/182>, abgerufen am 25.11.2024.