So standen die Sachen unter ihnen am Ende des Winters, als Herr F. von seinem Freunde, dem Offi- cier, dem er so viel zu danken hatte, einen Brief be- kam. Dieser edle Mann, nachdem er in allen Feld- zügen des letzten Krieges für das Vaterland gesoch- ten, und ehrenvolle Wunden erworben hatte, begab sich auf seine Güter, um, in Gesellschaft einer würdi- gen Gattinn, in häuslicher Zufriedenheit den Rest sei- nes Lebens zuzubringen. Aber er wollte auch, daß nicht er allein, sondern auch andere glücklich seyn soll- ten. Er betrachtete sich als den allgemeinen Vater seiner Unterthanen, und in dieser Absicht sorgte er für die Erziehung ihrer Kinder. Er wollte zum Schul- meister einen verständigen menschenfreundlichen Mann haben, der nicht etwan nur die Kinder bloß die Fragen und Antworten einer unverständlichen zweck- losen Hellsordnung könnte auswendig lernen lassen, sondern, der ihnen Pflichten deutlich machen sollte, die sie gegen Gott und Menschen zu beobachten hät- ten, der sie vor Vorurtheilen bewahren sollte, die sich beym Bauer sonst Jahrhunderte lang fortpflan- zen, der ihnen richtige Begriffe vom Landbaue, den sie zu treiben bestimmt waren, beybringen, kurz, der sie zu vernünftigen Menschen und zu guten Bauern, erziehen sollte. Einen solchen Mann wollte
der
So ſtanden die Sachen unter ihnen am Ende des Winters, als Herr F. von ſeinem Freunde, dem Offi- cier, dem er ſo viel zu danken hatte, einen Brief be- kam. Dieſer edle Mann, nachdem er in allen Feld- zuͤgen des letzten Krieges fuͤr das Vaterland geſoch- ten, und ehrenvolle Wunden erworben hatte, begab ſich auf ſeine Guͤter, um, in Geſellſchaft einer wuͤrdi- gen Gattinn, in haͤuslicher Zufriedenheit den Reſt ſei- nes Lebens zuzubringen. Aber er wollte auch, daß nicht er allein, ſondern auch andere gluͤcklich ſeyn ſoll- ten. Er betrachtete ſich als den allgemeinen Vater ſeiner Unterthanen, und in dieſer Abſicht ſorgte er fuͤr die Erziehung ihrer Kinder. Er wollte zum Schul- meiſter einen verſtaͤndigen menſchenfreundlichen Mann haben, der nicht etwan nur die Kinder bloß die Fragen und Antworten einer unverſtaͤndlichen zweck- loſen Hellsordnung koͤnnte auswendig lernen laſſen, ſondern, der ihnen Pflichten deutlich machen ſollte, die ſie gegen Gott und Menſchen zu beobachten haͤt- ten, der ſie vor Vorurtheilen bewahren ſollte, die ſich beym Bauer ſonſt Jahrhunderte lang fortpflan- zen, der ihnen richtige Begriffe vom Landbaue, den ſie zu treiben beſtimmt waren, beybringen, kurz, der ſie zu vernuͤnftigen Menſchen und zu guten Bauern, erziehen ſollte. Einen ſolchen Mann wollte
der
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So ſtanden die Sachen unter ihnen am Ende des
Winters, als Herr F. von ſeinem Freunde, dem Offi-
cier, dem er ſo viel zu danken hatte, einen Brief be-
kam. Dieſer edle Mann, nachdem er in allen Feld-
zuͤgen des letzten Krieges fuͤr das Vaterland geſoch-
ten, und ehrenvolle Wunden erworben hatte, begab
ſich auf ſeine Guͤter, um, in Geſellſchaft einer wuͤrdi-
gen Gattinn, in haͤuslicher Zufriedenheit den Reſt ſei-
nes Lebens zuzubringen. Aber er wollte auch, daß
nicht er allein, ſondern auch andere gluͤcklich ſeyn ſoll-
ten. Er betrachtete ſich als den allgemeinen Vater
ſeiner Unterthanen, und in dieſer Abſicht ſorgte er fuͤr
die Erziehung ihrer Kinder. Er wollte zum Schul-
meiſter einen verſtaͤndigen menſchenfreundlichen
Mann haben, der nicht etwan nur die Kinder bloß die
Fragen und Antworten einer unverſtaͤndlichen zweck-
loſen Hellsordnung koͤnnte auswendig lernen laſſen,
ſondern, der ihnen Pflichten deutlich machen ſollte,
die ſie gegen Gott und Menſchen zu beobachten haͤt-
ten, der ſie vor Vorurtheilen bewahren ſollte, die
ſich beym Bauer ſonſt Jahrhunderte lang fortpflan-
zen, der ihnen richtige Begriffe vom Landbaue, den
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/140>, abgerufen am 22.11.2024.
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