Nachdem der Schulmeister wieder etwas Athem zu schöpfen anfieng, war die allgemeine Frage: ,was die "Ursache des Lärms gewesen sey, und was er mit dem "im ersten Stockwerke wohnenden Edelmanne, dessen "Bedienten ihm so hart begegnet, zu thun gehabt "habe.'
Der Schulmeister antwortete bloß durch tiefes Schluchzen, und durch die kläglichsten Ausrufungen: ,Jch elender Mann! ich unglücklicher Mann! ich "bin ohne Rettung verloren!'
Sebaldus suchte ihn durch alle möglichen Gründe wieder zur Fassung zu bringen, der Major bot ihm sei- nen Arm, Herr F. seine Börse und alle sonst nur mögliche Hülfe an.
Vergebens! er wiederholte seine trostlosen Aus- rufungen, mit den Geberden eines Verzweifelten be- gleitet, bedeckte dazwischen einmal über das andere sein Angesicht mit seinen beiden Händen, und weinte bitterlich.
Nach langem Zureden beruhigte er sich endlich so weit, daß er, mit vielen untermischten Seufzern, fol- gendes erzählen konnte.
,Sie wissen es, sagte er, in dem er sich zum Se- "baldus wandte, und ihm wehmüthig die Hand "drückte, wie ruhig und wie glücklich ich war. Ob-
"gleich
G 5
Nachdem der Schulmeiſter wieder etwas Athem zu ſchoͤpfen anfieng, war die allgemeine Frage: ‚was die ”Urſache des Laͤrms geweſen ſey, und was er mit dem ”im erſten Stockwerke wohnenden Edelmanne, deſſen ”Bedienten ihm ſo hart begegnet, zu thun gehabt ”habe.‛
Der Schulmeiſter antwortete bloß durch tiefes Schluchzen, und durch die klaͤglichſten Ausrufungen: ‚Jch elender Mann! ich ungluͤcklicher Mann! ich ”bin ohne Rettung verloren!‛
Sebaldus ſuchte ihn durch alle moͤglichen Gruͤnde wieder zur Faſſung zu bringen, der Major bot ihm ſei- nen Arm, Herr F. ſeine Boͤrſe und alle ſonſt nur moͤgliche Huͤlfe an.
Vergebens! er wiederholte ſeine troſtloſen Aus- rufungen, mit den Geberden eines Verzweifelten be- gleitet, bedeckte dazwiſchen einmal uͤber das andere ſein Angeſicht mit ſeinen beiden Haͤnden, und weinte bitterlich.
Nach langem Zureden beruhigte er ſich endlich ſo weit, daß er, mit vielen untermiſchten Seufzern, fol- gendes erzaͤhlen konnte.
‚Sie wiſſen es, ſagte er, in dem er ſich zum Se- ”baldus wandte, und ihm wehmuͤthig die Hand ”druͤckte, wie ruhig und wie gluͤcklich ich war. Ob-
”gleich
G 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0109"n="101"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Nachdem der Schulmeiſter wieder etwas Athem zu<lb/>ſchoͤpfen anfieng, war die allgemeine Frage: ‚was die<lb/>”Urſache des Laͤrms geweſen ſey, und was er mit dem<lb/>”im erſten Stockwerke wohnenden Edelmanne, deſſen<lb/>”Bedienten ihm ſo hart begegnet, zu thun gehabt<lb/>”habe.‛</p><lb/><p>Der Schulmeiſter antwortete bloß durch tiefes<lb/>
Schluchzen, und durch die klaͤglichſten Ausrufungen:<lb/>‚Jch elender Mann! ich ungluͤcklicher Mann! ich<lb/>”bin ohne Rettung verloren!‛</p><lb/><p><hirendition="#fr">Sebaldus</hi>ſuchte ihn durch alle moͤglichen Gruͤnde<lb/>
wieder zur Faſſung zu bringen, der Major bot ihm ſei-<lb/>
nen Arm, Herr <hirendition="#fr">F.</hi>ſeine Boͤrſe und alle ſonſt nur<lb/>
moͤgliche Huͤlfe an.</p><lb/><p>Vergebens! er wiederholte ſeine troſtloſen Aus-<lb/>
rufungen, mit den Geberden eines Verzweifelten be-<lb/>
gleitet, bedeckte dazwiſchen einmal uͤber das andere<lb/>ſein Angeſicht mit ſeinen beiden Haͤnden, und weinte<lb/>
bitterlich.</p><lb/><p>Nach langem Zureden beruhigte er ſich endlich ſo<lb/>
weit, daß er, mit vielen untermiſchten Seufzern, fol-<lb/>
gendes erzaͤhlen konnte.</p><lb/><p>‚Sie wiſſen es, ſagte er, in dem er ſich zum <hirendition="#fr">Se-<lb/>”baldus</hi> wandte, und ihm wehmuͤthig die Hand<lb/>”druͤckte, wie ruhig und wie gluͤcklich ich war. Ob-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">G 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">”gleich</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[101/0109]
Nachdem der Schulmeiſter wieder etwas Athem zu
ſchoͤpfen anfieng, war die allgemeine Frage: ‚was die
”Urſache des Laͤrms geweſen ſey, und was er mit dem
”im erſten Stockwerke wohnenden Edelmanne, deſſen
”Bedienten ihm ſo hart begegnet, zu thun gehabt
”habe.‛
Der Schulmeiſter antwortete bloß durch tiefes
Schluchzen, und durch die klaͤglichſten Ausrufungen:
‚Jch elender Mann! ich ungluͤcklicher Mann! ich
”bin ohne Rettung verloren!‛
Sebaldus ſuchte ihn durch alle moͤglichen Gruͤnde
wieder zur Faſſung zu bringen, der Major bot ihm ſei-
nen Arm, Herr F. ſeine Boͤrſe und alle ſonſt nur
moͤgliche Huͤlfe an.
Vergebens! er wiederholte ſeine troſtloſen Aus-
rufungen, mit den Geberden eines Verzweifelten be-
gleitet, bedeckte dazwiſchen einmal uͤber das andere
ſein Angeſicht mit ſeinen beiden Haͤnden, und weinte
bitterlich.
Nach langem Zureden beruhigte er ſich endlich ſo
weit, daß er, mit vielen untermiſchten Seufzern, fol-
gendes erzaͤhlen konnte.
‚Sie wiſſen es, ſagte er, in dem er ſich zum Se-
”baldus wandte, und ihm wehmuͤthig die Hand
”druͤckte, wie ruhig und wie gluͤcklich ich war. Ob-
”gleich
G 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/109>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.