Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

Bild:
<< vorherige Seite



aulaßung dieser Predigt, auf dem eben vorseyenden
Landtage, die Ritterschaft aus diesem Zuckerbecker ein
Landesgravamen machte, und Sr. Durchl. in Unter-
thänigkeit vorstellte, daß das süße Confect dieses Man-
nes die Bitterkeit der papistischen Lehre nimmermehr
versüßen könte, so bekam D. Stauzius noch dazu
aus dem Fürstl. Cabinette einen Verweis, den er zu den
Trübsalen rechnete, die der Satan frommen Lehrern
erwecket, und ihn in Geduld ertrug, bis er in der am
Ende des Landtages zu haltenden Predigt, sich wider
diejenigen die den Wächtern Zions ihre Wachsam-
keit verweisen, mit Nachdruck erklären könnte,

Sebaldus und Mariane, die die ihnen zuge-
dachte Abkanzelung nicht einmahl erfahren hatten,
lebten indessen sehr ruhig und vergnügt. Mariane
beschäftigte sich mit weiblichen Arbeiten und mit dem
Unterricht zweyer kleinen Töchter des Hieronymus.
Sebaldus
aber, brachte die meiste Zeit in Hierony-
mus
Laden zu, um aus alten prophetischen Schriften
Collectaneen zu seinem apocalyptischen Commentar zu
zu sammlen. Er durfte auch nicht befürchten, daß ihn
hier etwa einer von seinen Feinden stören möchte, denn
weder der Präsident, noch der Superintendent hatte
im Buchladen etwas zu thun. Der erste war ein
Genie, und als ein solches hielt er es für sich nicht

anstän-
E 5



aulaßung dieſer Predigt, auf dem eben vorſeyenden
Landtage, die Ritterſchaft aus dieſem Zuckerbecker ein
Landesgravamen machte, und Sr. Durchl. in Unter-
thaͤnigkeit vorſtellte, daß das ſuͤße Confect dieſes Man-
nes die Bitterkeit der papiſtiſchen Lehre nimmermehr
verſuͤßen koͤnte, ſo bekam D. Stauzius noch dazu
aus dem Fuͤrſtl. Cabinette einen Verweis, den er zu den
Truͤbſalen rechnete, die der Satan frommen Lehrern
erwecket, und ihn in Geduld ertrug, bis er in der am
Ende des Landtages zu haltenden Predigt, ſich wider
diejenigen die den Waͤchtern Zions ihre Wachſam-
keit verweiſen, mit Nachdruck erklaͤren koͤnnte,

Sebaldus und Mariane, die die ihnen zuge-
dachte Abkanzelung nicht einmahl erfahren hatten,
lebten indeſſen ſehr ruhig und vergnuͤgt. Mariane
beſchaͤftigte ſich mit weiblichen Arbeiten und mit dem
Unterricht zweyer kleinen Toͤchter des Hieronymus.
Sebaldus
aber, brachte die meiſte Zeit in Hierony-
mus
Laden zu, um aus alten prophetiſchen Schriften
Collectaneen zu ſeinem apocalyptiſchen Commentar zu
zu ſammlen. Er durfte auch nicht befuͤrchten, daß ihn
hier etwa einer von ſeinen Feinden ſtoͤren moͤchte, denn
weder der Praͤſident, noch der Superintendent hatte
im Buchladen etwas zu thun. Der erſte war ein
Genie, und als ein ſolches hielt er es fuͤr ſich nicht

anſtaͤn-
E 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0097" n="73"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
aulaßung die&#x017F;er Predigt, auf dem eben vor&#x017F;eyenden<lb/>
Landtage, die Ritter&#x017F;chaft aus die&#x017F;em Zuckerbecker ein<lb/>
Landesgravamen machte, und Sr. Durchl. in Unter-<lb/>
tha&#x0364;nigkeit vor&#x017F;tellte, daß das &#x017F;u&#x0364;ße Confect die&#x017F;es Man-<lb/>
nes die Bitterkeit der papi&#x017F;ti&#x017F;chen Lehre nimmermehr<lb/>
ver&#x017F;u&#x0364;ßen ko&#x0364;nte, &#x017F;o bekam <hi rendition="#fr">D. Stauzius</hi> noch dazu<lb/>
aus dem Fu&#x0364;r&#x017F;tl. Cabinette einen Verweis, den er zu den<lb/>
Tru&#x0364;b&#x017F;alen rechnete, die der Satan frommen Lehrern<lb/>
erwecket, und ihn in Geduld ertrug, bis er in der am<lb/>
Ende des Landtages zu haltenden Predigt, &#x017F;ich wider<lb/>
diejenigen die den Wa&#x0364;chtern Zions ihre Wach&#x017F;am-<lb/>
keit verwei&#x017F;en, mit Nachdruck erkla&#x0364;ren ko&#x0364;nnte,</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Sebaldus</hi> und <hi rendition="#fr">Mariane,</hi> die die ihnen zuge-<lb/>
dachte Abkanzelung nicht einmahl erfahren hatten,<lb/>
lebten inde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ehr ruhig und vergnu&#x0364;gt. <hi rendition="#fr">Mariane</hi><lb/>
be&#x017F;cha&#x0364;ftigte &#x017F;ich mit weiblichen Arbeiten und mit dem<lb/>
Unterricht zweyer kleinen To&#x0364;chter des <hi rendition="#fr">Hieronymus.<lb/>
Sebaldus</hi> aber, brachte die mei&#x017F;te Zeit in <hi rendition="#fr">Hierony-<lb/>
mus</hi> Laden zu, um aus alten propheti&#x017F;chen Schriften<lb/>
Collectaneen zu &#x017F;einem apocalypti&#x017F;chen Commentar zu<lb/>
zu &#x017F;ammlen. Er durfte auch nicht befu&#x0364;rchten, daß ihn<lb/>
hier etwa einer von &#x017F;einen Feinden &#x017F;to&#x0364;ren mo&#x0364;chte, denn<lb/>
weder der Pra&#x0364;&#x017F;ident, noch der Superintendent hatte<lb/>
im Buchladen etwas zu thun. Der er&#x017F;te war ein<lb/>
Genie, und als ein &#x017F;olches hielt er es fu&#x0364;r &#x017F;ich nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 5</fw><fw place="bottom" type="catch">an&#x017F;ta&#x0364;n-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0097] aulaßung dieſer Predigt, auf dem eben vorſeyenden Landtage, die Ritterſchaft aus dieſem Zuckerbecker ein Landesgravamen machte, und Sr. Durchl. in Unter- thaͤnigkeit vorſtellte, daß das ſuͤße Confect dieſes Man- nes die Bitterkeit der papiſtiſchen Lehre nimmermehr verſuͤßen koͤnte, ſo bekam D. Stauzius noch dazu aus dem Fuͤrſtl. Cabinette einen Verweis, den er zu den Truͤbſalen rechnete, die der Satan frommen Lehrern erwecket, und ihn in Geduld ertrug, bis er in der am Ende des Landtages zu haltenden Predigt, ſich wider diejenigen die den Waͤchtern Zions ihre Wachſam- keit verweiſen, mit Nachdruck erklaͤren koͤnnte, Sebaldus und Mariane, die die ihnen zuge- dachte Abkanzelung nicht einmahl erfahren hatten, lebten indeſſen ſehr ruhig und vergnuͤgt. Mariane beſchaͤftigte ſich mit weiblichen Arbeiten und mit dem Unterricht zweyer kleinen Toͤchter des Hieronymus. Sebaldus aber, brachte die meiſte Zeit in Hierony- mus Laden zu, um aus alten prophetiſchen Schriften Collectaneen zu ſeinem apocalyptiſchen Commentar zu zu ſammlen. Er durfte auch nicht befuͤrchten, daß ihn hier etwa einer von ſeinen Feinden ſtoͤren moͤchte, denn weder der Praͤſident, noch der Superintendent hatte im Buchladen etwas zu thun. Der erſte war ein Genie, und als ein ſolches hielt er es fuͤr ſich nicht anſtaͤn- E 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/97
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/97>, abgerufen am 22.11.2024.