Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.Pocken zu zeigen. Der ehrliche Bauer pflegte sie so sehr, als es seine eigene nothdürftige Umstände er- laubten. Er gab ihnen seine einzige Stube ein, schlief mit Sebaldus abwechselnd in der Scheune, und wachte mit ihm abwechselnd bey den Kranken. Ma- riane aber kam ihrer kranken Mutter und Schwe- ster nie von der Seite. Alles was möglich war, um ihnen Erleichterung zu verschaffen, that sie, aber leider! war nur sehr wenig möglich. Mit jedem Tage vermehrte sich das Elend. Wilhelmine in der äussersten Entkräftung, Charlottchen mit zusam- menfliessenden Eiterbeulen überdeckt, keine Arzney, wenig Speise, keinen Freund ausser dem ehrlichen Bauer, keine Hofnung, daß dieser Zustand verbes- sert werde, keine Aussicht wie man in diesem Zustande fortleben könne. Schon seit einigen Wochen hatte die Familie von dem Verkaufe einiger Wäsche und Mo- bilien gelebt, die der Bauer, wenn er zu Markte fuhr, in der Stadt verkauste. Es war zu übersehen, daß diese kleine Hülfe nicht lange dauren könnte. Her- nach zeigte sich der kommende Winter, keine Nah- rung, kein Obdach, das bitterste Elend. "O großer "Gott, rief Sebaldus aus, verdienet eine Abwei- "chung von den symbolischen Büchern, daß eine Fa- "milie, die beständig nach deinen Geboten zu wan- "deln
Pocken zu zeigen. Der ehrliche Bauer pflegte ſie ſo ſehr, als es ſeine eigene nothduͤrftige Umſtaͤnde er- laubten. Er gab ihnen ſeine einzige Stube ein, ſchlief mit Sebaldus abwechſelnd in der Scheune, und wachte mit ihm abwechſelnd bey den Kranken. Ma- riane aber kam ihrer kranken Mutter und Schwe- ſter nie von der Seite. Alles was moͤglich war, um ihnen Erleichterung zu verſchaffen, that ſie, aber leider! war nur ſehr wenig moͤglich. Mit jedem Tage vermehrte ſich das Elend. Wilhelmine in der aͤuſſerſten Entkraͤftung, Charlottchen mit zuſam- menflieſſenden Eiterbeulen uͤberdeckt, keine Arzney, wenig Speiſe, keinen Freund auſſer dem ehrlichen Bauer, keine Hofnung, daß dieſer Zuſtand verbeſ- ſert werde, keine Ausſicht wie man in dieſem Zuſtande fortleben koͤnne. Schon ſeit einigen Wochen hatte die Familie von dem Verkaufe einiger Waͤſche und Mo- bilien gelebt, die der Bauer, wenn er zu Markte fuhr, in der Stadt verkauſte. Es war zu uͤberſehen, daß dieſe kleine Huͤlfe nicht lange dauren koͤnnte. Her- nach zeigte ſich der kommende Winter, keine Nah- rung, kein Obdach, das bitterſte Elend. „O großer „Gott, rief Sebaldus aus, verdienet eine Abwei- „chung von den ſymboliſchen Buͤchern, daß eine Fa- „milie, die beſtaͤndig nach deinen Geboten zu wan- „deln
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Pocken zu zeigen. Der ehrliche Bauer pflegte ſie ſo
ſehr, als es ſeine eigene nothduͤrftige Umſtaͤnde er-
laubten. Er gab ihnen ſeine einzige Stube ein, ſchlief
mit Sebaldus abwechſelnd in der Scheune, und
wachte mit ihm abwechſelnd bey den Kranken. Ma-
riane aber kam ihrer kranken Mutter und Schwe-
ſter nie von der Seite. Alles was moͤglich war,
um ihnen Erleichterung zu verſchaffen, that ſie,
aber leider! war nur ſehr wenig moͤglich. Mit jedem
Tage vermehrte ſich das Elend. Wilhelmine in der
aͤuſſerſten Entkraͤftung, Charlottchen mit zuſam-
menflieſſenden Eiterbeulen uͤberdeckt, keine Arzney,
wenig Speiſe, keinen Freund auſſer dem ehrlichen
Bauer, keine Hofnung, daß dieſer Zuſtand verbeſ-
ſert werde, keine Ausſicht wie man in dieſem Zuſtande
fortleben koͤnne. Schon ſeit einigen Wochen hatte
die Familie von dem Verkaufe einiger Waͤſche und Mo-
bilien gelebt, die der Bauer, wenn er zu Markte
fuhr, in der Stadt verkauſte. Es war zu uͤberſehen,
daß dieſe kleine Huͤlfe nicht lange dauren koͤnnte. Her-
nach zeigte ſich der kommende Winter, keine Nah-
rung, kein Obdach, das bitterſte Elend. „O großer
„Gott, rief Sebaldus aus, verdienet eine Abwei-
„chung von den ſymboliſchen Buͤchern, daß eine Fa-
„milie, die beſtaͤndig nach deinen Geboten zu wan-
„deln
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