Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.Person nach der fürstlichen Residenz, vor dem Consisto- rium zu erscheinen, gefordert. Als er erschien, sahe ihn der Präsident von oben bis unten an, seufzte, machte die Augen zu, hob das Angesicht gen Himmel, und hielt ihm in einem feinen etwas heisern und lang- gezogenen Ton seinen Unfug vor, daß er von etwas anders, als von Busse und Zerknirschung des Herzens gepredigt hätte, welches den symbolischen Büchern schnurstracks zuwider sey. Kaum hatte er ausgeredet, als der Superintendent aufstand. Er schrie mehr, als er sprach, zitterte vor Eifer, ward feuerroth im Gesichte, runzelte seine starke halbgraue und halbrothe Augenbraunen, konnte noch nicht sprechen, und schüttete als er anfieng, in einem holen bellenden Ton so schnell daß ein Wort das andere jagte, ein gestot- tertes Anathema über das andere auf den armen Sebaldus aus. Er hielt ihm vor, daß die zehn an- geworbenen Bauerkerl, vermuthlich hätten in den Stand der Gnade kommen können, daß sie aber nun in dem Lande wohin sie gebracht würden, Atheisten werden, und also ewig verdammt werden müsten. Auch Er, Sebaldus, hätte die ewige Verdammniß dadurch verdient, daß er an dem ewigen Wehe von zehn Seelen schuld wäre, u. s. w. Sebal- C 4
Perſon nach der fuͤrſtlichen Reſidenz, vor dem Conſiſto- rium zu erſcheinen, gefordert. Als er erſchien, ſahe ihn der Praͤſident von oben bis unten an, ſeufzte, machte die Augen zu, hob das Angeſicht gen Himmel, und hielt ihm in einem feinen etwas heiſern und lang- gezogenen Ton ſeinen Unfug vor, daß er von etwas anders, als von Buſſe und Zerknirſchung des Herzens gepredigt haͤtte, welches den ſymboliſchen Buͤchern ſchnurſtracks zuwider ſey. Kaum hatte er ausgeredet, als der Superintendent aufſtand. Er ſchrie mehr, als er ſprach, zitterte vor Eifer, ward feuerroth im Geſichte, runzelte ſeine ſtarke halbgraue und halbrothe Augenbraunen, konnte noch nicht ſprechen, und ſchuͤttete als er anfieng, in einem holen bellenden Ton ſo ſchnell daß ein Wort das andere jagte, ein geſtot- tertes Anathema uͤber das andere auf den armen Sebaldus aus. Er hielt ihm vor, daß die zehn an- geworbenen Bauerkerl, vermuthlich haͤtten in den Stand der Gnade kommen koͤnnen, daß ſie aber nun in dem Lande wohin ſie gebracht wuͤrden, Atheiſten werden, und alſo ewig verdammt werden muͤſten. Auch Er, Sebaldus, haͤtte die ewige Verdammniß dadurch verdient, daß er an dem ewigen Wehe von zehn Seelen ſchuld waͤre, u. ſ. w. Sebal- C 4
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ihn der Praͤſident von oben bis unten an, ſeufzte,
machte die Augen zu, hob das Angeſicht gen Himmel,
und hielt ihm in einem feinen etwas heiſern und lang-
gezogenen Ton ſeinen Unfug vor, daß er von etwas
anders, als von Buſſe und Zerknirſchung des Herzens
gepredigt haͤtte, welches den ſymboliſchen Buͤchern
ſchnurſtracks zuwider ſey. Kaum hatte er ausgeredet,
als der Superintendent aufſtand. Er ſchrie mehr,
als er ſprach, zitterte vor Eifer, ward feuerroth im
Geſichte, runzelte ſeine ſtarke halbgraue und halbrothe
Augenbraunen, konnte noch nicht ſprechen, und
ſchuͤttete als er anfieng, in einem holen bellenden Ton
ſo ſchnell daß ein Wort das andere jagte, ein geſtot-
tertes Anathema uͤber das andere auf den armen
Sebaldus aus. Er hielt ihm vor, daß die zehn an-
geworbenen Bauerkerl, vermuthlich haͤtten in den
Stand der Gnade kommen koͤnnen, daß ſie aber nun
in dem Lande wohin ſie gebracht wuͤrden, Atheiſten
werden, und alſo ewig verdammt werden muͤſten.
Auch Er, Sebaldus, haͤtte die ewige Verdammniß
dadurch verdient, daß er an dem ewigen Wehe von
zehn Seelen ſchuld waͤre, u. ſ. w.
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Zitationshilfe: | Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/59>, abgerufen am 16.02.2025. |