Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.nicht verstand, so wuste sie sie doch aus dem Zuschauer mit einer Reihe Soldaten zu vergleichen, in welcher einige Riesen zwischen einer Anzahl Zwerge ständen. Nun ist es bekannt, daß alle Dichter sehr empfind- lich, und die schlechten Dichter gemeiniglich die em- pfindlichsten sind. Es ist also leicht zu erachten, daß es der Präsident für einen unerhörten Eingriff in die Landesverfassung und gute Subordination hielt, daß eine Landpfarrerfrau sich über die Verse eines Man- nes wie er, öffentlich aufhalten dürfte, und daß er keine Gelegenheit wird verabsäumet haben, ihrem Manne empfinden zu laßen, daß er sein Oberer war. Der zweyte Feind des Sebaldus, war der Generalsu- perintendent D. Stauzius. Dis war eben der Pfar- rer, der Sebaldus mit Wilhelminen getrauet hatte, der wilde Mann, der so gern von dem Obersten Men- zel und von dem lustigen Treffen zu Roßbach sprach. Er hatte kurz nach Sebaldus Heirath die Ausgebe- rin des Präsidenten geheirathet, die Sebaldus ver- schmähet hatte, und war dadurch Generalsuperinten- dent worden. So wie er am Stande zunahm, wuchs auch sein Eifer für die Orthodoxie. Es lies sich zum Doctor der Theologie machen, damit er einen doppel- ten Beruf habe, sich der Orthodoxie alles Fleisses an- zunehmen. Er erhielt im Lande eine solche Einför- migkeit
nicht verſtand, ſo wuſte ſie ſie doch aus dem Zuſchauer mit einer Reihe Soldaten zu vergleichen, in welcher einige Rieſen zwiſchen einer Anzahl Zwerge ſtaͤnden. Nun iſt es bekannt, daß alle Dichter ſehr empfind- lich, und die ſchlechten Dichter gemeiniglich die em- pfindlichſten ſind. Es iſt alſo leicht zu erachten, daß es der Praͤſident fuͤr einen unerhoͤrten Eingriff in die Landesverfaſſung und gute Subordination hielt, daß eine Landpfarrerfrau ſich uͤber die Verſe eines Man- nes wie er, oͤffentlich aufhalten duͤrfte, und daß er keine Gelegenheit wird verabſaͤumet haben, ihrem Manne empfinden zu laßen, daß er ſein Oberer war. Der zweyte Feind des Sebaldus, war der Generalſu- perintendent D. Stauzius. Dis war eben der Pfar- rer, der Sebaldus mit Wilhelminen getrauet hatte, der wilde Mann, der ſo gern von dem Oberſten Men- zel und von dem luſtigen Treffen zu Roßbach ſprach. Er hatte kurz nach Sebaldus Heirath die Ausgebe- rin des Praͤſidenten geheirathet, die Sebaldus ver- ſchmaͤhet hatte, und war dadurch Generalſuperinten- dent worden. So wie er am Stande zunahm, wuchs auch ſein Eifer fuͤr die Orthodoxie. Es lies ſich zum Doctor der Theologie machen, damit er einen doppel- ten Beruf habe, ſich der Orthodoxie alles Fleiſſes an- zunehmen. Er erhielt im Lande eine ſolche Einfoͤr- migkeit
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nicht verſtand, ſo wuſte ſie ſie doch aus dem Zuſchauer
mit einer Reihe Soldaten zu vergleichen, in welcher
einige Rieſen zwiſchen einer Anzahl Zwerge ſtaͤnden.
Nun iſt es bekannt, daß alle Dichter ſehr empfind-
lich, und die ſchlechten Dichter gemeiniglich die em-
pfindlichſten ſind. Es iſt alſo leicht zu erachten, daß
es der Praͤſident fuͤr einen unerhoͤrten Eingriff in die
Landesverfaſſung und gute Subordination hielt, daß
eine Landpfarrerfrau ſich uͤber die Verſe eines Man-
nes wie er, oͤffentlich aufhalten duͤrfte, und daß er
keine Gelegenheit wird verabſaͤumet haben, ihrem
Manne empfinden zu laßen, daß er ſein Oberer war.
Der zweyte Feind des Sebaldus, war der Generalſu-
perintendent D. Stauzius. Dis war eben der Pfar-
rer, der Sebaldus mit Wilhelminen getrauet hatte,
der wilde Mann, der ſo gern von dem Oberſten Men-
zel und von dem luſtigen Treffen zu Roßbach ſprach.
Er hatte kurz nach Sebaldus Heirath die Ausgebe-
rin des Praͤſidenten geheirathet, die Sebaldus ver-
ſchmaͤhet hatte, und war dadurch Generalſuperinten-
dent worden. So wie er am Stande zunahm, wuchs
auch ſein Eifer fuͤr die Orthodoxie. Es lies ſich zum
Doctor der Theologie machen, damit er einen doppel-
ten Beruf habe, ſich der Orthodoxie alles Fleiſſes an-
zunehmen. Er erhielt im Lande eine ſolche Einfoͤr-
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