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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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auf einer benachbarten Universität verbrachten Uni-
versitätsjahren, niemals ihre Vaterstadt verlaßen
hatten.

Hieronymus pflegte aber die Einsichten die er
besaß, eben nicht unabläßig geltend zu machen, daher
hatten sie ihm auch nicht Feinde zugezogen. Er war in
der kleinen Residenzstadt, in der er sich gesetzt hatte,
in Ansehen, ohne von jemand beneidet zu werden,
denn er war gegen jedermann dienstfertig, und hatte
eine natürliche Abneigung jemand ins Gesicht zu
widersprechen, oder erlangte Vortheile von irgend
einer Art zur Schau zu tragen. Bey diesen Grund-
sätzen und einer so glücklichen Temperamentstugend
war er in seinem Städtchen wohlhabend geworden,
ohne daß es bey seinen Nebenbürgern eben sonderli-
ches Aufsehen verursacht hätte.

Gleichwol hatte er durch seinen Fleiß, ganz un-
vermerkt, in dem Ländchen wo er sich befand, zween
ganz neue Handlungszweige eröfnet, an die vorher
noch niemand daselbst gedacht hatte. Es hatte das
kleine Fürstenthum einen fruchtbaren Boden, und
nicht wenig Viehzucht, es brachte alles hervor was die
Einwohner nähren konte. Sie nährten sich auch,
und zehrten richtig dasjenige auf, was ihnen zuwuchs.
Weil sie aber ausser ihrem mäßig bestellten Ackerbaue,

gar



auf einer benachbarten Univerſitaͤt verbrachten Uni-
verſitaͤtsjahren, niemals ihre Vaterſtadt verlaßen
hatten.

Hieronymus pflegte aber die Einſichten die er
beſaß, eben nicht unablaͤßig geltend zu machen, daher
hatten ſie ihm auch nicht Feinde zugezogen. Er war in
der kleinen Reſidenzſtadt, in der er ſich geſetzt hatte,
in Anſehen, ohne von jemand beneidet zu werden,
denn er war gegen jedermann dienſtfertig, und hatte
eine natuͤrliche Abneigung jemand ins Geſicht zu
widerſprechen, oder erlangte Vortheile von irgend
einer Art zur Schau zu tragen. Bey dieſen Grund-
ſaͤtzen und einer ſo gluͤcklichen Temperamentstugend
war er in ſeinem Staͤdtchen wohlhabend geworden,
ohne daß es bey ſeinen Nebenbuͤrgern eben ſonderli-
ches Aufſehen verurſacht haͤtte.

Gleichwol hatte er durch ſeinen Fleiß, ganz un-
vermerkt, in dem Laͤndchen wo er ſich befand, zween
ganz neue Handlungszweige eroͤfnet, an die vorher
noch niemand daſelbſt gedacht hatte. Es hatte das
kleine Fuͤrſtenthum einen fruchtbaren Boden, und
nicht wenig Viehzucht, es brachte alles hervor was die
Einwohner naͤhren konte. Sie naͤhrten ſich auch,
und zehrten richtig dasjenige auf, was ihnen zuwuchs.
Weil ſie aber auſſer ihrem maͤßig beſtellten Ackerbaue,

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[22/0042] auf einer benachbarten Univerſitaͤt verbrachten Uni- verſitaͤtsjahren, niemals ihre Vaterſtadt verlaßen hatten. Hieronymus pflegte aber die Einſichten die er beſaß, eben nicht unablaͤßig geltend zu machen, daher hatten ſie ihm auch nicht Feinde zugezogen. Er war in der kleinen Reſidenzſtadt, in der er ſich geſetzt hatte, in Anſehen, ohne von jemand beneidet zu werden, denn er war gegen jedermann dienſtfertig, und hatte eine natuͤrliche Abneigung jemand ins Geſicht zu widerſprechen, oder erlangte Vortheile von irgend einer Art zur Schau zu tragen. Bey dieſen Grund- ſaͤtzen und einer ſo gluͤcklichen Temperamentstugend war er in ſeinem Staͤdtchen wohlhabend geworden, ohne daß es bey ſeinen Nebenbuͤrgern eben ſonderli- ches Aufſehen verurſacht haͤtte. Gleichwol hatte er durch ſeinen Fleiß, ganz un- vermerkt, in dem Laͤndchen wo er ſich befand, zween ganz neue Handlungszweige eroͤfnet, an die vorher noch niemand daſelbſt gedacht hatte. Es hatte das kleine Fuͤrſtenthum einen fruchtbaren Boden, und nicht wenig Viehzucht, es brachte alles hervor was die Einwohner naͤhren konte. Sie naͤhrten ſich auch, und zehrten richtig dasjenige auf, was ihnen zuwuchs. Weil ſie aber auſſer ihrem maͤßig beſtellten Ackerbaue, gar

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/42>, abgerufen am 21.11.2024.