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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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henauf, eine so vertraute Bekanntschaft gemacht hatte,
daß er ihr eine solche Verrichtung gar wohl auftragen
zu können glaubte.

Unterdeßen, befand sich Mariane in großer
Unruhe. Säuglings Zuneigung zu ihr hatte
schon lange vorher ehe er sie gestand, ihrer weib-
lichen Scharfsichtigkeit nicht entgehen können. Sie
hatte Wohlgefallen daran gehegt, weil sie sie für
die bloße Höfllichkeitsbezeugung eines artigen jun-
gen Menschen ansahe, ohne zu denken, daß sie sich
jemals in eine feurige Liebe verwandeln, oder daß
diese Liebe einen tiefen Eindruck auf ihr Herz machen
könnte. Als er seine Liebe endlich erklärte, und er zu-
gleich in demselben Augenblicke von ihr getrennet ward,
fand sie zwar ihr Herz tief verwundet, glaubte aber,
daß dies von ihrer beleidigten Empfindlichkeit, und
vom Wiederwillen gegen die Härte der Frau von Ho-
henauf
herrühre. Nachdem aber Säugling abge-
reiset war, und sie in der Heftigkeit ihrer Leidenschafft
glaubte, daß sie ihn nie wiedersehen würde, merkte
sie erstlich, vor sich selbst erröthend, wie sehr sie ihn
liebte. Bald war sie sehr zornig, daß er nicht von
ihr Abschied genommen hatte, bald entschuldigte sie
ihn, und stellte sich vor, wie untröstlich er selber seyn

müste



henauf, eine ſo vertraute Bekanntſchaft gemacht hatte,
daß er ihr eine ſolche Verrichtung gar wohl auftragen
zu koͤnnen glaubte.

Unterdeßen, befand ſich Mariane in großer
Unruhe. Saͤuglings Zuneigung zu ihr hatte
ſchon lange vorher ehe er ſie geſtand, ihrer weib-
lichen Scharfſichtigkeit nicht entgehen koͤnnen. Sie
hatte Wohlgefallen daran gehegt, weil ſie ſie fuͤr
die bloße Hoͤfllichkeitsbezeugung eines artigen jun-
gen Menſchen anſahe, ohne zu denken, daß ſie ſich
jemals in eine feurige Liebe verwandeln, oder daß
dieſe Liebe einen tiefen Eindruck auf ihr Herz machen
koͤnnte. Als er ſeine Liebe endlich erklaͤrte, und er zu-
gleich in demſelben Augenblicke von ihr getrennet ward,
fand ſie zwar ihr Herz tief verwundet, glaubte aber,
daß dies von ihrer beleidigten Empfindlichkeit, und
vom Wiederwillen gegen die Haͤrte der Frau von Ho-
henauf
herruͤhre. Nachdem aber Saͤugling abge-
reiſet war, und ſie in der Heftigkeit ihrer Leidenſchafft
glaubte, daß ſie ihn nie wiederſehen wuͤrde, merkte
ſie erſtlich, vor ſich ſelbſt erroͤthend, wie ſehr ſie ihn
liebte. Bald war ſie ſehr zornig, daß er nicht von
ihr Abſchied genommen hatte, bald entſchuldigte ſie
ihn, und ſtellte ſich vor, wie untroͤſtlich er ſelber ſeyn

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[221/0247] henauf, eine ſo vertraute Bekanntſchaft gemacht hatte, daß er ihr eine ſolche Verrichtung gar wohl auftragen zu koͤnnen glaubte. Unterdeßen, befand ſich Mariane in großer Unruhe. Saͤuglings Zuneigung zu ihr hatte ſchon lange vorher ehe er ſie geſtand, ihrer weib- lichen Scharfſichtigkeit nicht entgehen koͤnnen. Sie hatte Wohlgefallen daran gehegt, weil ſie ſie fuͤr die bloße Hoͤfllichkeitsbezeugung eines artigen jun- gen Menſchen anſahe, ohne zu denken, daß ſie ſich jemals in eine feurige Liebe verwandeln, oder daß dieſe Liebe einen tiefen Eindruck auf ihr Herz machen koͤnnte. Als er ſeine Liebe endlich erklaͤrte, und er zu- gleich in demſelben Augenblicke von ihr getrennet ward, fand ſie zwar ihr Herz tief verwundet, glaubte aber, daß dies von ihrer beleidigten Empfindlichkeit, und vom Wiederwillen gegen die Haͤrte der Frau von Ho- henauf herruͤhre. Nachdem aber Saͤugling abge- reiſet war, und ſie in der Heftigkeit ihrer Leidenſchafft glaubte, daß ſie ihn nie wiederſehen wuͤrde, merkte ſie erſtlich, vor ſich ſelbſt erroͤthend, wie ſehr ſie ihn liebte. Bald war ſie ſehr zornig, daß er nicht von ihr Abſchied genommen hatte, bald entſchuldigte ſie ihn, und ſtellte ſich vor, wie untroͤſtlich er ſelber ſeyn muͤſte

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/247>, abgerufen am 24.11.2024.