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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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"Gesehen? Jch erstaune ganz; wie kommst du
"mit dem Lumpenpacke zusammen, gleich gestehe es
"mir, ich will es wissen."

Fräulein Adelheid stamlete, und blickte Maria-
nen
an, die die Augen niederschlug; die Frau von
Hohenauf
wiederhohlte ihren Befehl, und das
Fräulein beichtete:

"Ach meine Mamsell hat mich hingeführt. Sie
"glauben nicht, gnädige Mama, wie gut sie ist; sie
"hat die armen Leute schon seit sechs Wochen erhalten,
"daß sie nicht vor Hunger und Frost umgekommen
"sind. Ach ich habe auch gern mein ganzes Spar-
"geld hingegeben, mehr konnte ich nicht, aber Sie
"gnädige Mama, können mehr; Sie können die Kin-
"der glücklich machen, wenn Sie den Vater loslassen."

"So, Mademoiselle" sagte die Frau von Hohen-
auf,
indem sie Marianen mit unbeschreiblicher
Würde über die linke Achsel ansahe, "sie führt meine
"Fräulein in schöne Gesellschaft, um Lebensart und
"Monde zu lernen."

"Ach gnädige Mama --"

"Schweig still, das verstehst du nicht. Dies
"sind Diebe, die deines Vaters Forsten bestohlen ha-
"ben, sie müssen hart gestraft werden, damit sich das
"andere Gesindel daran spiegele."

"Ach
N 4


„Geſehen? Jch erſtaune ganz; wie kommſt du
„mit dem Lumpenpacke zuſammen, gleich geſtehe es
„mir, ich will es wiſſen.‟

Fraͤulein Adelheid ſtamlete, und blickte Maria-
nen
an, die die Augen niederſchlug; die Frau von
Hohenauf
wiederhohlte ihren Befehl, und das
Fraͤulein beichtete:

„Ach meine Mamſell hat mich hingefuͤhrt. Sie
„glauben nicht, gnaͤdige Mama, wie gut ſie iſt; ſie
„hat die armen Leute ſchon ſeit ſechs Wochen erhalten,
„daß ſie nicht vor Hunger und Froſt umgekommen
„ſind. Ach ich habe auch gern mein ganzes Spar-
„geld hingegeben, mehr konnte ich nicht, aber Sie
„gnaͤdige Mama, koͤnnen mehr; Sie koͤnnen die Kin-
„der gluͤcklich machen, wenn Sie den Vater loslaſſen.‟

„So, Mademoiſelle‟ ſagte die Frau von Hohen-
auf,
indem ſie Marianen mit unbeſchreiblicher
Wuͤrde uͤber die linke Achſel anſahe, „ſie fuͤhrt meine
„Fraͤulein in ſchoͤne Geſellſchaft, um Lebensart und
Monde zu lernen.‟

„Ach gnaͤdige Mama —‟

„Schweig ſtill, das verſtehſt du nicht. Dies
„ſind Diebe, die deines Vaters Forſten beſtohlen ha-
„ben, ſie muͤſſen hart geſtraft werden, damit ſich das
„andere Geſindel daran ſpiegele.‟

„Ach
N 4
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[199/0225] „Geſehen? Jch erſtaune ganz; wie kommſt du „mit dem Lumpenpacke zuſammen, gleich geſtehe es „mir, ich will es wiſſen.‟ Fraͤulein Adelheid ſtamlete, und blickte Maria- nen an, die die Augen niederſchlug; die Frau von Hohenauf wiederhohlte ihren Befehl, und das Fraͤulein beichtete: „Ach meine Mamſell hat mich hingefuͤhrt. Sie „glauben nicht, gnaͤdige Mama, wie gut ſie iſt; ſie „hat die armen Leute ſchon ſeit ſechs Wochen erhalten, „daß ſie nicht vor Hunger und Froſt umgekommen „ſind. Ach ich habe auch gern mein ganzes Spar- „geld hingegeben, mehr konnte ich nicht, aber Sie „gnaͤdige Mama, koͤnnen mehr; Sie koͤnnen die Kin- „der gluͤcklich machen, wenn Sie den Vater loslaſſen.‟ „So, Mademoiſelle‟ ſagte die Frau von Hohen- auf, indem ſie Marianen mit unbeſchreiblicher Wuͤrde uͤber die linke Achſel anſahe, „ſie fuͤhrt meine „Fraͤulein in ſchoͤne Geſellſchaft, um Lebensart und „Monde zu lernen.‟ „Ach gnaͤdige Mama —‟ „Schweig ſtill, das verſtehſt du nicht. Dies „ſind Diebe, die deines Vaters Forſten beſtohlen ha- „ben, ſie muͤſſen hart geſtraft werden, damit ſich das „andere Geſindel daran ſpiegele.‟ „Ach N 4

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/225>, abgerufen am 22.11.2024.