schriebenen, von Marianen mündlich aufgetragen war.
Es hatte ein armer Pachter eines Bauerguts auf des gnädigen Herrn Wildbahn geschossen. Der Jä- ger hatte ihm das Gewehr weggenommen. Seit sechs Wochen lag er im Gefängnisse, und man machte ihm den Proceß, um ihn an die Karre schmieden zu lassen. Jndessen da der Wirth und Versorger des Hauses fehlte, schmachteten seine Frau und fünf Kin- der im Elende. Die gutherzige Mariane hatre ih- nen so gut sie konnte beygestanden. Sie hätte auch gern für den armen Gefangenen eine Vorbitte einge- legt, aber sie empfand, mit wie weniger Hofnung des Erfolgs sie dieses wagen dürfte. Sie hatte daher zuerst darauf gedacht, dieses Fest anzustellen, um da- bey Gelegenheit zu haben, durch Fräulein Adelheid, die der Liebling ihrer Mutter war, die Loslassung des Gefangenen zu bewirken. Sie hatte ihr die Worte in den Mund gelegt, die sie sagen sollte, wenn ihre Aeltern, durch das Vergnügen des Festes in gute Laune gebracht, das Herz dem Mitleid zu öfnen ge- neigter seyn möchten.
Fräulein Adelheid hatte also kaum gehört, daß sie für ihr Spielen belohnt werden solte, so ergriff sie diese Gelegenheit begierig, fiel ihrer Mutter zu Füßen und rief aus:
"Ach
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ſchriebenen, von Marianen muͤndlich aufgetragen war.
Es hatte ein armer Pachter eines Bauerguts auf des gnaͤdigen Herrn Wildbahn geſchoſſen. Der Jaͤ- ger hatte ihm das Gewehr weggenommen. Seit ſechs Wochen lag er im Gefaͤngniſſe, und man machte ihm den Proceß, um ihn an die Karre ſchmieden zu laſſen. Jndeſſen da der Wirth und Verſorger des Hauſes fehlte, ſchmachteten ſeine Frau und fuͤnf Kin- der im Elende. Die gutherzige Mariane hatre ih- nen ſo gut ſie konnte beygeſtanden. Sie haͤtte auch gern fuͤr den armen Gefangenen eine Vorbitte einge- legt, aber ſie empfand, mit wie weniger Hofnung des Erfolgs ſie dieſes wagen duͤrfte. Sie hatte daher zuerſt darauf gedacht, dieſes Feſt anzuſtellen, um da- bey Gelegenheit zu haben, durch Fraͤulein Adelheid, die der Liebling ihrer Mutter war, die Loslaſſung des Gefangenen zu bewirken. Sie hatte ihr die Worte in den Mund gelegt, die ſie ſagen ſollte, wenn ihre Aeltern, durch das Vergnuͤgen des Feſtes in gute Laune gebracht, das Herz dem Mitleid zu oͤfnen ge- neigter ſeyn moͤchten.
Fraͤulein Adelheid hatte alſo kaum gehoͤrt, daß ſie fuͤr ihr Spielen belohnt werden ſolte, ſo ergriff ſie dieſe Gelegenheit begierig, fiel ihrer Mutter zu Fuͤßen und rief aus:
„Ach
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ſchriebenen, von Marianen muͤndlich aufgetragen
war.
Es hatte ein armer Pachter eines Bauerguts auf
des gnaͤdigen Herrn Wildbahn geſchoſſen. Der Jaͤ-
ger hatte ihm das Gewehr weggenommen. Seit
ſechs Wochen lag er im Gefaͤngniſſe, und man machte
ihm den Proceß, um ihn an die Karre ſchmieden zu
laſſen. Jndeſſen da der Wirth und Verſorger des
Hauſes fehlte, ſchmachteten ſeine Frau und fuͤnf Kin-
der im Elende. Die gutherzige Mariane hatre ih-
nen ſo gut ſie konnte beygeſtanden. Sie haͤtte auch
gern fuͤr den armen Gefangenen eine Vorbitte einge-
legt, aber ſie empfand, mit wie weniger Hofnung
des Erfolgs ſie dieſes wagen duͤrfte. Sie hatte daher
zuerſt darauf gedacht, dieſes Feſt anzuſtellen, um da-
bey Gelegenheit zu haben, durch Fraͤulein Adelheid,
die der Liebling ihrer Mutter war, die Loslaſſung des
Gefangenen zu bewirken. Sie hatte ihr die Worte
in den Mund gelegt, die ſie ſagen ſollte, wenn ihre
Aeltern, durch das Vergnuͤgen des Feſtes in gute
Laune gebracht, das Herz dem Mitleid zu oͤfnen ge-
neigter ſeyn moͤchten.
Fraͤulein Adelheid hatte alſo kaum gehoͤrt, daß
ſie fuͤr ihr Spielen belohnt werden ſolte, ſo ergriff
ſie dieſe Gelegenheit begierig, fiel ihrer Mutter zu Fuͤßen
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/223>, abgerufen am 16.02.2025.
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