Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

Bild:
<< vorherige Seite



stes Fräulein verstellte, ob sie gleich, mit einem
gnädigen Kopfneigen gegen Marianen, bemerkte,
daß die Arbeit daran sehr artig wäre. Fräulein
Adelheid hingegen in ihrer von Zindel und Flit-
tern glänzenden Nymphentracht hatte ihren gan-
zen Beyfall. Sie umarmte sie, und spielte mit ih-
ren langgezogenen über den Busen gelegten falschen
Locken, die ihr prinzessinnenmäßig vorkamen.

"Dieser majestätische Anzug schickt sich besser für
"ein Fräulein deines Standes, sagte sie, als das
"Schäferkleid deiner Schwester."

Die kleine Adelheid, die ihrer Schwester den leich-
ten fliegenden Anzug und die in halb geflochtenen Zö-
pfen hinterwerts herabfallende Locken beneidet hatte,
schlug die Augen nieder, und durfte nicht widersprechen.

"Nicht wahr mein Kind, fuhr die Mutter fort,
"nicht wahr, ein Schmuck von Juwelen, würde dir
"besser stehen, als dieser schlechte Blumenkranz?"

"Ach nein gnädige Mama, er würde doch nicht
"so schön riechen als die Blumen."

"Einfältiges Kind! was ist Geruch gegen Glanz?
"Du hast gespielt wie ein Engel, ich muß dich dafür
"belohnen; -- eine Zitternadel. --"

Hier erinnerte sich die kleine Adelheid einer
Rolle, die ihr, ausser der von Säuglingen aufge-

schriebe-



ſtes Fraͤulein verſtellte, ob ſie gleich, mit einem
gnaͤdigen Kopfneigen gegen Marianen, bemerkte,
daß die Arbeit daran ſehr artig waͤre. Fraͤulein
Adelheid hingegen in ihrer von Zindel und Flit-
tern glaͤnzenden Nymphentracht hatte ihren gan-
zen Beyfall. Sie umarmte ſie, und ſpielte mit ih-
ren langgezogenen uͤber den Buſen gelegten falſchen
Locken, die ihr prinzeſſinnenmaͤßig vorkamen.

„Dieſer majeſtaͤtiſche Anzug ſchickt ſich beſſer fuͤr
„ein Fraͤulein deines Standes, ſagte ſie, als das
„Schaͤferkleid deiner Schweſter.‟

Die kleine Adelheid, die ihrer Schweſter den leich-
ten fliegenden Anzug und die in halb geflochtenen Zoͤ-
pfen hinterwerts herabfallende Locken beneidet hatte,
ſchlug die Augen nieder, und durfte nicht widerſprechen.

„Nicht wahr mein Kind, fuhr die Mutter fort,
„nicht wahr, ein Schmuck von Juwelen, wuͤrde dir
„beſſer ſtehen, als dieſer ſchlechte Blumenkranz?‟

„Ach nein gnaͤdige Mama, er wuͤrde doch nicht
„ſo ſchoͤn riechen als die Blumen.‟

„Einfaͤltiges Kind! was iſt Geruch gegen Glanz?
„Du haſt geſpielt wie ein Engel, ich muß dich dafuͤr
„belohnen; — eine Zitternadel. —‟

Hier erinnerte ſich die kleine Adelheid einer
Rolle, die ihr, auſſer der von Saͤuglingen aufge-

ſchriebe-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0222" n="196"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;tes Fra&#x0364;ulein ver&#x017F;tellte, ob &#x017F;ie gleich, mit einem<lb/>
gna&#x0364;digen Kopfneigen gegen <hi rendition="#fr">Marianen,</hi> bemerkte,<lb/>
daß die Arbeit daran &#x017F;ehr artig wa&#x0364;re. Fra&#x0364;ulein<lb/><hi rendition="#fr">Adelheid</hi> hingegen in ihrer von Zindel und Flit-<lb/>
tern gla&#x0364;nzenden Nymphentracht hatte ihren gan-<lb/>
zen Beyfall. Sie umarmte &#x017F;ie, und &#x017F;pielte mit ih-<lb/>
ren langgezogenen u&#x0364;ber den Bu&#x017F;en gelegten fal&#x017F;chen<lb/>
Locken, die ihr prinze&#x017F;&#x017F;innenma&#x0364;ßig vorkamen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die&#x017F;er maje&#x017F;ta&#x0364;ti&#x017F;che Anzug &#x017F;chickt &#x017F;ich be&#x017F;&#x017F;er fu&#x0364;r<lb/>
&#x201E;ein Fra&#x0364;ulein deines Standes, &#x017F;agte &#x017F;ie, als das<lb/>
&#x201E;Scha&#x0364;ferkleid deiner Schwe&#x017F;ter.&#x201F;</p><lb/>
          <p>Die kleine <hi rendition="#fr">Adelheid,</hi> die ihrer Schwe&#x017F;ter den leich-<lb/>
ten fliegenden Anzug und die in halb geflochtenen Zo&#x0364;-<lb/>
pfen hinterwerts herabfallende Locken beneidet hatte,<lb/>
&#x017F;chlug die Augen nieder, und durfte nicht wider&#x017F;prechen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nicht wahr mein Kind, fuhr die Mutter fort,<lb/>
&#x201E;nicht wahr, ein Schmuck von Juwelen, wu&#x0364;rde dir<lb/>
&#x201E;be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;tehen, als die&#x017F;er &#x017F;chlechte Blumenkranz?&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ach nein gna&#x0364;dige Mama, er wu&#x0364;rde doch nicht<lb/>
&#x201E;&#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n riechen als die Blumen.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Einfa&#x0364;ltiges Kind! was i&#x017F;t Geruch gegen Glanz?<lb/>
&#x201E;Du ha&#x017F;t ge&#x017F;pielt wie ein Engel, ich muß dich dafu&#x0364;r<lb/>
&#x201E;belohnen; &#x2014; eine Zitternadel. &#x2014;&#x201F;</p><lb/>
          <p>Hier erinnerte &#x017F;ich die kleine <hi rendition="#fr">Adelheid</hi> einer<lb/>
Rolle, die ihr, au&#x017F;&#x017F;er der von <hi rendition="#fr">Sa&#x0364;uglingen</hi> aufge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chriebe-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0222] ſtes Fraͤulein verſtellte, ob ſie gleich, mit einem gnaͤdigen Kopfneigen gegen Marianen, bemerkte, daß die Arbeit daran ſehr artig waͤre. Fraͤulein Adelheid hingegen in ihrer von Zindel und Flit- tern glaͤnzenden Nymphentracht hatte ihren gan- zen Beyfall. Sie umarmte ſie, und ſpielte mit ih- ren langgezogenen uͤber den Buſen gelegten falſchen Locken, die ihr prinzeſſinnenmaͤßig vorkamen. „Dieſer majeſtaͤtiſche Anzug ſchickt ſich beſſer fuͤr „ein Fraͤulein deines Standes, ſagte ſie, als das „Schaͤferkleid deiner Schweſter.‟ Die kleine Adelheid, die ihrer Schweſter den leich- ten fliegenden Anzug und die in halb geflochtenen Zoͤ- pfen hinterwerts herabfallende Locken beneidet hatte, ſchlug die Augen nieder, und durfte nicht widerſprechen. „Nicht wahr mein Kind, fuhr die Mutter fort, „nicht wahr, ein Schmuck von Juwelen, wuͤrde dir „beſſer ſtehen, als dieſer ſchlechte Blumenkranz?‟ „Ach nein gnaͤdige Mama, er wuͤrde doch nicht „ſo ſchoͤn riechen als die Blumen.‟ „Einfaͤltiges Kind! was iſt Geruch gegen Glanz? „Du haſt geſpielt wie ein Engel, ich muß dich dafuͤr „belohnen; — eine Zitternadel. —‟ Hier erinnerte ſich die kleine Adelheid einer Rolle, die ihr, auſſer der von Saͤuglingen aufge- ſchriebe-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/222
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/222>, abgerufen am 25.11.2024.