Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.nicht zu erlangen, so war er viel zu bescheiden, als daß er darüber jemand anders, als den stillen Wän- den sein Leid geklagt hätte, und zu gutherzig, als daß er diejenigen, denen seine Gedichte nicht gefielen, gehasset hätte. So bald er nur wirklich merkte, daß jemand seine Gedichte beschwerlich waren, so drang er sie ihm nie auf, so daß, wenn er jemand zur Last fiel, es sicherlich ohne sein Wissen geschah, denn seine Absicht war allemahl, Vergnügen und Zufriedenheit, die er in so großem Maaße in sich selbst fand, durch seine Gedichte auch um sich herum zu verbreiten. Vierter Abschnitt. Ein Mann, der sich so wie Säugling auf die Ver- gen
nicht zu erlangen, ſo war er viel zu beſcheiden, als daß er daruͤber jemand anders, als den ſtillen Waͤn- den ſein Leid geklagt haͤtte, und zu gutherzig, als daß er diejenigen, denen ſeine Gedichte nicht gefielen, gehaſſet haͤtte. So bald er nur wirklich merkte, daß jemand ſeine Gedichte beſchwerlich waren, ſo drang er ſie ihm nie auf, ſo daß, wenn er jemand zur Laſt fiel, es ſicherlich ohne ſein Wiſſen geſchah, denn ſeine Abſicht war allemahl, Vergnuͤgen und Zufriedenheit, die er in ſo großem Maaße in ſich ſelbſt fand, durch ſeine Gedichte auch um ſich herum zu verbreiten. Vierter Abſchnitt. Ein Mann, der ſich ſo wie Saͤugling auf die Ver- gen
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nicht zu erlangen, ſo war er viel zu beſcheiden, als
daß er daruͤber jemand anders, als den ſtillen Waͤn-
den ſein Leid geklagt haͤtte, und zu gutherzig, als
daß er diejenigen, denen ſeine Gedichte nicht gefielen,
gehaſſet haͤtte. So bald er nur wirklich merkte,
daß jemand ſeine Gedichte beſchwerlich waren, ſo drang
er ſie ihm nie auf, ſo daß, wenn er jemand zur Laſt
fiel, es ſicherlich ohne ſein Wiſſen geſchah, denn ſeine
Abſicht war allemahl, Vergnuͤgen und Zufriedenheit,
die er in ſo großem Maaße in ſich ſelbſt fand, durch
ſeine Gedichte auch um ſich herum zu verbreiten.
Vierter Abſchnitt.
Ein Mann, der ſich ſo wie Saͤugling auf die Ver-
dienſte des ſchoͤnen Geſchlechts verſtand, mußte
Marianen unter dem uͤbrigen im Hauſe vorhande-
nen Frauenzimmer, ſehr bald vortheilhaſt unterſchei-
den, zumahl da ſie, gleich ihrer Mutter Wilhelmi-
ne, bey ſchwarzen Haaren, die ſchoͤnſten hellblauen
Augen hatte. Es konnte ein ſolcher Kenner, keine
von den uͤbrigen Frauenzimmern mit ihr nur in Ver-
gleichung ſtellen; denn die Frau von Hohenauf hatte
große graue Augen mit langhaarigten Augenbramen,
das Kammermaͤdchen beſaß ein paar flachgeſchlitzte Au-
gen
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