so hatten sie die hauptsächlichsten Wissenschaften gelernt, die die Frau von Hohenauf einer jungen Dame, die am Hofe glänzen will, für nöthig hielt.
Jm Grunde schien Mariane zur Lehrerin so wich- tiger Wissenschaften nicht eben geschickt zu seyn. Jhr schlichter gesunder Verstand hatte ihr eingebildet, daß der Vorzug eines Frauenzimmers vielmehr darin be- stehe, daß sie gut, als daß sie schön sey. Ob sie gleich selbst sehr wohl gebildet war, hatte sie sich doch, viel- leicht weil es ihr noch nie eine Mannsperson gesagt hatte, niemals etwas darauf zu gute gethan. Zum Putze hatte sie zwar, ohne es zu wissen, eine natür- liche Geschicklichkeit, indem alles sehr wohl anstand, was sie selbst anlegte, oder für andre wählte, welches den Friseur Picard bewog, sie für eine wirkliche Fran- zösinn zu halten; aber sie hatte den Putz noch niemals gebraucht, Absichten damit zu erreichen. Sie kannte die Reize der großer Welt nicht, und verlangte auch nicht sie zu kennen, denn ihre Wünsche waren bisher immer sehr mäßig gewesen, und waren sehr leicht be- sriediget worden. Jhr höchster Wunsch war vorher, die Liebe ihrer Aeltern zu verdienen, itzt aber ihre Pflicht zu erfüllen.
Wenn Mariane eine schlechte Lehrerin war, so waren die beiden Fräulein eben so schlechte Schüle-
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ſo hatten ſie die hauptſaͤchlichſten Wiſſenſchaften gelernt, die die Frau von Hohenauf einer jungen Dame, die am Hofe glaͤnzen will, fuͤr noͤthig hielt.
Jm Grunde ſchien Mariane zur Lehrerin ſo wich- tiger Wiſſenſchaften nicht eben geſchickt zu ſeyn. Jhr ſchlichter geſunder Verſtand hatte ihr eingebildet, daß der Vorzug eines Frauenzimmers vielmehr darin be- ſtehe, daß ſie gut, als daß ſie ſchoͤn ſey. Ob ſie gleich ſelbſt ſehr wohl gebildet war, hatte ſie ſich doch, viel- leicht weil es ihr noch nie eine Mannsperſon geſagt hatte, niemals etwas darauf zu gute gethan. Zum Putze hatte ſie zwar, ohne es zu wiſſen, eine natuͤr- liche Geſchicklichkeit, indem alles ſehr wohl anſtand, was ſie ſelbſt anlegte, oder fuͤr andre waͤhlte, welches den Friſeur Picard bewog, ſie fuͤr eine wirkliche Fran- zoͤſinn zu halten; aber ſie hatte den Putz noch niemals gebraucht, Abſichten damit zu erreichen. Sie kannte die Reize der großer Welt nicht, und verlangte auch nicht ſie zu kennen, denn ihre Wuͤnſche waren bisher immer ſehr maͤßig geweſen, und waren ſehr leicht be- ſriediget worden. Jhr hoͤchſter Wunſch war vorher, die Liebe ihrer Aeltern zu verdienen, itzt aber ihre Pflicht zu erfuͤllen.
Wenn Mariane eine ſchlechte Lehrerin war, ſo waren die beiden Fraͤulein eben ſo ſchlechte Schuͤle-
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ſo hatten ſie die hauptſaͤchlichſten Wiſſenſchaften gelernt,
die die Frau von Hohenauf einer jungen Dame, die
am Hofe glaͤnzen will, fuͤr noͤthig hielt.
Jm Grunde ſchien Mariane zur Lehrerin ſo wich-
tiger Wiſſenſchaften nicht eben geſchickt zu ſeyn. Jhr
ſchlichter geſunder Verſtand hatte ihr eingebildet, daß
der Vorzug eines Frauenzimmers vielmehr darin be-
ſtehe, daß ſie gut, als daß ſie ſchoͤn ſey. Ob ſie gleich
ſelbſt ſehr wohl gebildet war, hatte ſie ſich doch, viel-
leicht weil es ihr noch nie eine Mannsperſon geſagt
hatte, niemals etwas darauf zu gute gethan. Zum
Putze hatte ſie zwar, ohne es zu wiſſen, eine natuͤr-
liche Geſchicklichkeit, indem alles ſehr wohl anſtand,
was ſie ſelbſt anlegte, oder fuͤr andre waͤhlte, welches
den Friſeur Picard bewog, ſie fuͤr eine wirkliche Fran-
zoͤſinn zu halten; aber ſie hatte den Putz noch niemals
gebraucht, Abſichten damit zu erreichen. Sie kannte
die Reize der großer Welt nicht, und verlangte auch
nicht ſie zu kennen, denn ihre Wuͤnſche waren bisher
immer ſehr maͤßig geweſen, und waren ſehr leicht be-
ſriediget worden. Jhr hoͤchſter Wunſch war vorher,
die Liebe ihrer Aeltern zu verdienen, itzt aber ihre
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Wenn Mariane eine ſchlechte Lehrerin war, ſo
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/202>, abgerufen am 16.02.2025.
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