er vermuthete und es |sich merken ließ, sein Freund habe auch hier als Freund gehandelt.
Die Post nach Berlin war bestellt. Sebaldus, weil er noch nicht wußte, wie lang sein Aufenthalt in Berlin dauern könnte, nahm nur in einem kleinen Kuffer das allernothwendigste zu sich. Das übrige, worunter auch sein Commentar über die Apoca- lypse war, der schon zu ein paar hundert Heften an- gewachsen seyn mochte, ließ er bey seinem Freunde Hieronymus stehen.
Nun setzte er sich, nach zärtlichem Abschiede von seinem Freunde, auf den Postwagen, und trat seine Reise an.
Jn der zweyten Nacht ward der Postwagen, ohnweit der Brandenburgischen Gränze, in einem Walde unvermuthet von Räubern überfallen; sie schlu- gen den Postillion auf der Stelle tod, und Sebal- dus, der der einzige Passagier war, empfing einen Schlag auf den Kopf, davon er betäubt zur Erden fiel. Als er wieder zu sich kam, war die Sonne aufgegan- gen, der Postillion lag todt ausgestreckt, der Postwa- gen war beraubt, und sein eigner Kuffer war gänz- lich ausgeleert. Als er sich selbst besah, fand er, daß die Räuber ihm seine Kleider, deren schlechtes Anse- hen sie vermuthlich nicht in Versuchung führen konte,
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er vermuthete und es |ſich merken ließ, ſein Freund habe auch hier als Freund gehandelt.
Die Poſt nach Berlin war beſtellt. Sebaldus, weil er noch nicht wußte, wie lang ſein Aufenthalt in Berlin dauern koͤnnte, nahm nur in einem kleinen Kuffer das allernothwendigſte zu ſich. Das uͤbrige, worunter auch ſein Commentar uͤber die Apoca- lypſe war, der ſchon zu ein paar hundert Heften an- gewachſen ſeyn mochte, ließ er bey ſeinem Freunde Hieronymus ſtehen.
Nun ſetzte er ſich, nach zaͤrtlichem Abſchiede von ſeinem Freunde, auf den Poſtwagen, und trat ſeine Reiſe an.
Jn der zweyten Nacht ward der Poſtwagen, ohnweit der Brandenburgiſchen Graͤnze, in einem Walde unvermuthet von Raͤubern uͤberfallen; ſie ſchlu- gen den Poſtillion auf der Stelle tod, und Sebal- dus, der der einzige Paſſagier war, empfing einen Schlag auf den Kopf, davon er betaͤubt zur Erden fiel. Als er wieder zu ſich kam, war die Sonne aufgegan- gen, der Poſtillion lag todt ausgeſtreckt, der Poſtwa- gen war beraubt, und ſein eigner Kuffer war gaͤnz- lich ausgeleert. Als er ſich ſelbſt beſah, fand er, daß die Raͤuber ihm ſeine Kleider, deren ſchlechtes Anſe- hen ſie vermuthlich nicht in Verſuchung fuͤhren konte,
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er vermuthete und es |ſich merken ließ, ſein Freund
habe auch hier als Freund gehandelt.
Die Poſt nach Berlin war beſtellt. Sebaldus,
weil er noch nicht wußte, wie lang ſein Aufenthalt
in Berlin dauern koͤnnte, nahm nur in einem kleinen
Kuffer das allernothwendigſte zu ſich. Das uͤbrige,
worunter auch ſein Commentar uͤber die Apoca-
lypſe war, der ſchon zu ein paar hundert Heften an-
gewachſen ſeyn mochte, ließ er bey ſeinem Freunde
Hieronymus ſtehen.
Nun ſetzte er ſich, nach zaͤrtlichem Abſchiede von
ſeinem Freunde, auf den Poſtwagen, und trat ſeine
Reiſe an.
Jn der zweyten Nacht ward der Poſtwagen,
ohnweit der Brandenburgiſchen Graͤnze, in einem
Walde unvermuthet von Raͤubern uͤberfallen; ſie ſchlu-
gen den Poſtillion auf der Stelle tod, und Sebal-
dus, der der einzige Paſſagier war, empfing einen
Schlag auf den Kopf, davon er betaͤubt zur Erden fiel.
Als er wieder zu ſich kam, war die Sonne aufgegan-
gen, der Poſtillion lag todt ausgeſtreckt, der Poſtwa-
gen war beraubt, und ſein eigner Kuffer war gaͤnz-
lich ausgeleert. Als er ſich ſelbſt beſah, fand er, daß
die Raͤuber ihm ſeine Kleider, deren ſchlechtes Anſe-
hen ſie vermuthlich nicht in Verſuchung fuͤhren konte,
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/189>, abgerufen am 17.02.2025.
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