Sebaldus stand ganz erstaunt da, und sagte kurz: "daß er sich über diese Zumuthung wundere, daß "er aber, um keines zeitlichen Vortheils willen, die "Wahrheit die er erkenne, verläugnen würde."
Stauzius verwies ihm, in nicht ganz völlig sans- tem Tone, seine Hartnäckigkeit, gebot ihm von sei- ner ketzerischen Lehre abzustehen, und erinnerte ihn zulezt, indem er durch einen Griff an seine violette Mütze das Zeichen zum Abschiede gab, mit einem trocknen Amtsgesichte: "daß itzt die Zeit nicht mehr "wäre, da man, durch feindliche Gewalt, in den "Weinberg des Herrn einzudringen suchen müsse. Es "sey itzt, Gottlob! Frieden."
Als Sebaldus seinem Freunde Hieronymus diesen Vorgang erzählte, fand dieser bestätigt, was er schon längst befürchtet hatte, nämlich daß für den Sebaldus in dem Fürstenthume weiter keine Besör- derung zu hoffen sey. Nach einigen Tagen erfuhr man, daß der Präsident einen Fiskal veranlasset habe, den Sebaldus fiskalisch anzuklagen, weil er im Kriege für fremde Truppen Recruten geworben, zehen wirk- lich aus dem Lande geschaft, und den Sohn des Ge- neralsuperintendenten für Geld habe loslassen wollen. Sebaldus lachte über eine so ungereimte Anklage, und brannte vor Begierde sich vor Gerichte zu stellen, um
durch
Erster Theil. L
Sebaldus ſtand ganz erſtaunt da, und ſagte kurz: „daß er ſich uͤber dieſe Zumuthung wundere, daß „er aber, um keines zeitlichen Vortheils willen, die „Wahrheit die er erkenne, verlaͤugnen wuͤrde.‟
Stauzius verwies ihm, in nicht ganz voͤllig ſanſ- tem Tone, ſeine Hartnaͤckigkeit, gebot ihm von ſei- ner ketzeriſchen Lehre abzuſtehen, und erinnerte ihn zulezt, indem er durch einen Griff an ſeine violette Muͤtze das Zeichen zum Abſchiede gab, mit einem trocknen Amtsgeſichte: „daß itzt die Zeit nicht mehr „waͤre, da man, durch feindliche Gewalt, in den „Weinberg des Herrn einzudringen ſuchen muͤſſe. Es „ſey itzt, Gottlob! Frieden.‟
Als Sebaldus ſeinem Freunde Hieronymus dieſen Vorgang erzaͤhlte, fand dieſer beſtaͤtigt, was er ſchon laͤngſt befuͤrchtet hatte, naͤmlich daß fuͤr den Sebaldus in dem Fuͤrſtenthume weiter keine Beſoͤr- derung zu hoffen ſey. Nach einigen Tagen erfuhr man, daß der Praͤſident einen Fiſkal veranlaſſet habe, den Sebaldus fiskaliſch anzuklagen, weil er im Kriege fuͤr fremde Truppen Recruten geworben, zehen wirk- lich aus dem Lande geſchaft, und den Sohn des Ge- neralſuperintendenten fuͤr Geld habe loslaſſen wollen. Sebaldus lachte uͤber eine ſo ungereimte Anklage, und brannte vor Begierde ſich vor Gerichte zu ſtellen, um
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Erſter Theil. L
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Sebaldus ſtand ganz erſtaunt da, und ſagte
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„Wahrheit die er erkenne, verlaͤugnen wuͤrde.‟
Stauzius verwies ihm, in nicht ganz voͤllig ſanſ-
tem Tone, ſeine Hartnaͤckigkeit, gebot ihm von ſei-
ner ketzeriſchen Lehre abzuſtehen, und erinnerte ihn
zulezt, indem er durch einen Griff an ſeine violette
Muͤtze das Zeichen zum Abſchiede gab, mit einem
trocknen Amtsgeſichte: „daß itzt die Zeit nicht mehr
„waͤre, da man, durch feindliche Gewalt, in den
„Weinberg des Herrn einzudringen ſuchen muͤſſe. Es
„ſey itzt, Gottlob! Frieden.‟
Als Sebaldus ſeinem Freunde Hieronymus
dieſen Vorgang erzaͤhlte, fand dieſer beſtaͤtigt, was
er ſchon laͤngſt befuͤrchtet hatte, naͤmlich daß fuͤr den
Sebaldus in dem Fuͤrſtenthume weiter keine Beſoͤr-
derung zu hoffen ſey. Nach einigen Tagen erfuhr
man, daß der Praͤſident einen Fiſkal veranlaſſet habe,
den Sebaldus fiskaliſch anzuklagen, weil er im Kriege
fuͤr fremde Truppen Recruten geworben, zehen wirk-
lich aus dem Lande geſchaft, und den Sohn des Ge-
neralſuperintendenten fuͤr Geld habe loslaſſen wollen.
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/187>, abgerufen am 17.02.2025.
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