Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

Bild:
<< vorherige Seite



Muße, an seinen Commentar über die Apocalypse zu
arbeiten, welches ihm so angenehm war, daß er die
Hofnung zu einer Pfarre vielleicht ganz vergessen
haben würde, wenn sie Stauzius nicht, so oft er
ihn zu Gaste bat, erneuert hätte.

Jnzwischen war in den ersten Monaten des fol-
genden Jahres der allgemeine Frieden geschlossen wor-
den. Der fremde Oberste rückte demselben zufolge mit
seinen Truppen aus. Diese Veränderung brachte eine
große Veränderung in den Herzen und auf den Ge-
sichtern vieler Leute in dem kleinen Fürstenthume her-
vor. Jnsbesondere schienen der Präsident und der
Generalsuperintendent, den ehrlichen Sebaldus nicht
mehr so genau zu kennen als vorher. Sie liessen ihn
nicht mehr zu sich bitten. Wenn er sich bey dem erstern
anmeldete, so sagte der Bediente schon an der Thür,
daß Se. Excellenz Mittagsruhe hielten, oder daß
Sie eben Geschäfte hätten, oder daß Sie heute nie-
mand sprächen. Wenn er den letztern zu sprechen ver-
langte, so kamen, nachdem er eine halbe Stunde in
dem Visitenzimmer gewartet hatte, Se. Hochwür-
dige Magnificenz zwar im Schlafrocke, mit oder ohne
Peruke zum Vorscheine, und vergaßen auch niemals
beym Weggehen ihn Jhrer Gewogenheit zu versi-
chern; aber, obgleich verschiedene Vacanzen vorfielen,

so



Muße, an ſeinen Commentar uͤber die Apocalypſe zu
arbeiten, welches ihm ſo angenehm war, daß er die
Hofnung zu einer Pfarre vielleicht ganz vergeſſen
haben wuͤrde, wenn ſie Stauzius nicht, ſo oft er
ihn zu Gaſte bat, erneuert haͤtte.

Jnzwiſchen war in den erſten Monaten des fol-
genden Jahres der allgemeine Frieden geſchloſſen wor-
den. Der fremde Oberſte ruͤckte demſelben zufolge mit
ſeinen Truppen aus. Dieſe Veraͤnderung brachte eine
große Veraͤnderung in den Herzen und auf den Ge-
ſichtern vieler Leute in dem kleinen Fuͤrſtenthume her-
vor. Jnsbeſondere ſchienen der Praͤſident und der
Generalſuperintendent, den ehrlichen Sebaldus nicht
mehr ſo genau zu kennen als vorher. Sie lieſſen ihn
nicht mehr zu ſich bitten. Wenn er ſich bey dem erſtern
anmeldete, ſo ſagte der Bediente ſchon an der Thuͤr,
daß Se. Excellenz Mittagsruhe hielten, oder daß
Sie eben Geſchaͤfte haͤtten, oder daß Sie heute nie-
mand ſpraͤchen. Wenn er den letztern zu ſprechen ver-
langte, ſo kamen, nachdem er eine halbe Stunde in
dem Viſitenzimmer gewartet hatte, Se. Hochwuͤr-
dige Magnificenz zwar im Schlafrocke, mit oder ohne
Peruke zum Vorſcheine, und vergaßen auch niemals
beym Weggehen ihn Jhrer Gewogenheit zu verſi-
chern; aber, obgleich verſchiedene Vacanzen vorfielen,

ſo
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0185" n="159"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Muße, an &#x017F;einen Commentar u&#x0364;ber die Apocalyp&#x017F;e zu<lb/>
arbeiten, welches ihm &#x017F;o angenehm war, daß er die<lb/>
Hofnung zu einer Pfarre vielleicht ganz verge&#x017F;&#x017F;en<lb/>
haben wu&#x0364;rde, wenn &#x017F;ie <hi rendition="#fr">Stauzius</hi> nicht, &#x017F;o oft er<lb/>
ihn zu Ga&#x017F;te bat, erneuert ha&#x0364;tte.</p><lb/>
          <p>Jnzwi&#x017F;chen war in den er&#x017F;ten Monaten des fol-<lb/>
genden Jahres der allgemeine Frieden ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en wor-<lb/>
den. Der fremde Ober&#x017F;te ru&#x0364;ckte dem&#x017F;elben zufolge mit<lb/>
&#x017F;einen Truppen aus. Die&#x017F;e Vera&#x0364;nderung brachte eine<lb/>
große Vera&#x0364;nderung in den Herzen und auf den Ge-<lb/>
&#x017F;ichtern vieler Leute in dem kleinen Fu&#x0364;r&#x017F;tenthume her-<lb/>
vor. Jnsbe&#x017F;ondere &#x017F;chienen der Pra&#x0364;&#x017F;ident und der<lb/>
General&#x017F;uperintendent, den ehrlichen <hi rendition="#fr">Sebaldus</hi> nicht<lb/>
mehr &#x017F;o genau zu kennen als vorher. Sie lie&#x017F;&#x017F;en ihn<lb/>
nicht mehr zu &#x017F;ich bitten. Wenn er &#x017F;ich bey dem er&#x017F;tern<lb/>
anmeldete, &#x017F;o &#x017F;agte der Bediente &#x017F;chon an der Thu&#x0364;r,<lb/>
daß Se. Excellenz Mittagsruhe hielten, oder daß<lb/>
Sie eben Ge&#x017F;cha&#x0364;fte ha&#x0364;tten, oder daß Sie heute nie-<lb/>
mand &#x017F;pra&#x0364;chen. Wenn er den letztern zu &#x017F;prechen ver-<lb/>
langte, &#x017F;o kamen, nachdem er eine halbe Stunde in<lb/>
dem Vi&#x017F;itenzimmer gewartet hatte, Se. Hochwu&#x0364;r-<lb/>
dige Magnificenz zwar im Schlafrocke, mit oder ohne<lb/>
Peruke zum Vor&#x017F;cheine, und vergaßen auch niemals<lb/>
beym Weggehen ihn Jhrer Gewogenheit zu ver&#x017F;i-<lb/>
chern; aber, obgleich ver&#x017F;chiedene Vacanzen vorfielen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;o</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0185] Muße, an ſeinen Commentar uͤber die Apocalypſe zu arbeiten, welches ihm ſo angenehm war, daß er die Hofnung zu einer Pfarre vielleicht ganz vergeſſen haben wuͤrde, wenn ſie Stauzius nicht, ſo oft er ihn zu Gaſte bat, erneuert haͤtte. Jnzwiſchen war in den erſten Monaten des fol- genden Jahres der allgemeine Frieden geſchloſſen wor- den. Der fremde Oberſte ruͤckte demſelben zufolge mit ſeinen Truppen aus. Dieſe Veraͤnderung brachte eine große Veraͤnderung in den Herzen und auf den Ge- ſichtern vieler Leute in dem kleinen Fuͤrſtenthume her- vor. Jnsbeſondere ſchienen der Praͤſident und der Generalſuperintendent, den ehrlichen Sebaldus nicht mehr ſo genau zu kennen als vorher. Sie lieſſen ihn nicht mehr zu ſich bitten. Wenn er ſich bey dem erſtern anmeldete, ſo ſagte der Bediente ſchon an der Thuͤr, daß Se. Excellenz Mittagsruhe hielten, oder daß Sie eben Geſchaͤfte haͤtten, oder daß Sie heute nie- mand ſpraͤchen. Wenn er den letztern zu ſprechen ver- langte, ſo kamen, nachdem er eine halbe Stunde in dem Viſitenzimmer gewartet hatte, Se. Hochwuͤr- dige Magnificenz zwar im Schlafrocke, mit oder ohne Peruke zum Vorſcheine, und vergaßen auch niemals beym Weggehen ihn Jhrer Gewogenheit zu verſi- chern; aber, obgleich verſchiedene Vacanzen vorfielen, ſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/185
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/185>, abgerufen am 23.11.2024.