Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.Lehren wegen verdamme, und keinen Ketzer, sobald er ein guter Bürger ist, aus dem Lande jage, er wird sie bloß bedauren, daß sie in der Kenntniß des deutschen Kirchenrechts so unwissend sind; laß sie sich auf die gesunde Vernunft berufen, er wird voll Ver- achtung antworten, daß man so wenig das deutsche Kirchenrecht als das deutsche Staatsrecht, nach der Vernunft, sondern nach dem Herkommen beurtheilen müsse. Eben so samlet der Geschichtschreiber eine Menge Facten, ohne Wahl und Absicht, ohne da- raus Philosophie, Politik oder Kenntniß des Men- schen zu erläutern, und der Philologe giebt klassische Autoren heraus, samlet Lesearten und berichtigt Va- rianten, ohne ein einzigmahl seine Leser auf den Geist der alten Schriftsteller, auf den Zweck warum sie ge- schrieben haben, zu führen. Wenn ich nicht gewohnt wäre, weder im Guten noch im Bösen von Gottes- gelehrten zu reden, so würde ich die anführen, die mit ihren Nebengottesgelehrten beständig Dogma- tik, Exegese und Polemik wechseln, ohne jemals zu überlegen, welchen Einfluß Dogmatik, Exegese und Polemik auf die Verbesserung des menschlichen Gei- stes haben könne, und wie sie sich gegen Geschichte, Philosophie und Politik verhalten. Wenn jemals die deutschen Schriftsteller anfangen, die Wissenschaften aus Erster Theil. J
Lehren wegen verdamme, und keinen Ketzer, ſobald er ein guter Buͤrger iſt, aus dem Lande jage, er wird ſie bloß bedauren, daß ſie in der Kenntniß des deutſchen Kirchenrechts ſo unwiſſend ſind; laß ſie ſich auf die geſunde Vernunft berufen, er wird voll Ver- achtung antworten, daß man ſo wenig das deutſche Kirchenrecht als das deutſche Staatsrecht, nach der Vernunft, ſondern nach dem Herkommen beurtheilen muͤſſe. Eben ſo ſamlet der Geſchichtſchreiber eine Menge Facten, ohne Wahl und Abſicht, ohne da- raus Philoſophie, Politik oder Kenntniß des Men- ſchen zu erlaͤutern, und der Philologe giebt klaſſiſche Autoren heraus, ſamlet Leſearten und berichtigt Va- rianten, ohne ein einzigmahl ſeine Leſer auf den Geiſt der alten Schriftſteller, auf den Zweck warum ſie ge- ſchrieben haben, zu fuͤhren. Wenn ich nicht gewohnt waͤre, weder im Guten noch im Boͤſen von Gottes- gelehrten zu reden, ſo wuͤrde ich die anfuͤhren, die mit ihren Nebengottesgelehrten beſtaͤndig Dogma- tik, Exegeſe und Polemik wechſeln, ohne jemals zu uͤberlegen, welchen Einfluß Dogmatik, Exegeſe und Polemik auf die Verbeſſerung des menſchlichen Gei- ſtes haben koͤnne, und wie ſie ſich gegen Geſchichte, Philoſophie und Politik verhalten. Wenn jemals die deutſchen Schriftſteller anfangen, die Wiſſenſchaften aus Erſter Theil. J
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Lehren wegen verdamme, und keinen Ketzer, ſobald
er ein guter Buͤrger iſt, aus dem Lande jage, er
wird ſie bloß bedauren, daß ſie in der Kenntniß des
deutſchen Kirchenrechts ſo unwiſſend ſind; laß ſie ſich
auf die geſunde Vernunft berufen, er wird voll Ver-
achtung antworten, daß man ſo wenig das deutſche
Kirchenrecht als das deutſche Staatsrecht, nach der
Vernunft, ſondern nach dem Herkommen beurtheilen
muͤſſe. Eben ſo ſamlet der Geſchichtſchreiber eine
Menge Facten, ohne Wahl und Abſicht, ohne da-
raus Philoſophie, Politik oder Kenntniß des Men-
ſchen zu erlaͤutern, und der Philologe giebt klaſſiſche
Autoren heraus, ſamlet Leſearten und berichtigt Va-
rianten, ohne ein einzigmahl ſeine Leſer auf den Geiſt
der alten Schriftſteller, auf den Zweck warum ſie ge-
ſchrieben haben, zu fuͤhren. Wenn ich nicht gewohnt
waͤre, weder im Guten noch im Boͤſen von Gottes-
gelehrten zu reden, ſo wuͤrde ich die anfuͤhren, die
mit ihren Nebengottesgelehrten beſtaͤndig Dogma-
tik, Exegeſe und Polemik wechſeln, ohne jemals zu
uͤberlegen, welchen Einfluß Dogmatik, Exegeſe und
Polemik auf die Verbeſſerung des menſchlichen Gei-
ſtes haben koͤnne, und wie ſie ſich gegen Geſchichte,
Philoſophie und Politik verhalten. Wenn jemals die
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