Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.anrühren will. Die zwanzig Millionen Ungelehrten, vergelten den 20000 Gelehrten Verachtung mit Ver- gessenheit, sie wissen kaum daß die Gelehrten in der Welt sind. Weil nun kein Gelehrter für Ungelehrte schreiben will, und da doch die ungelehrte Welt so gut ihr Bedürfniß zu lesen hat, als die gelehrte, so bleibt das Amt für Ungelehrte zu schreiben, endlich den Verfassern der Jnseln Felsenburg, den Postillen- schreibern, und den moralischen Wochenblät- tern, deren Fähigkeiten den Fähigkeiten der Leser, die sie sich gewählt haben, viel genauer entsprechen, als die Fähigkeiten der grösten Gelehrten ihren Lesern, die daher weit mehr gelesen werden, als die grösten Ge- nien, die aber auch ihre Leser nicht um einen Daum- breit höher hinaufheben, die vielmehr sehr oft nicht wenig beytragen, daß das Licht der wahren Gelehr- ten sich nicht auf die Ungelehrten ausbreitet. Daher sind einige Städte bey uns so helle, und ganze Länder sind in der grösten Finsterniß. Seb. Aber die Wissenschaften können nicht alle- Hin-
anruͤhren will. Die zwanzig Millionen Ungelehrten, vergelten den 20000 Gelehrten Verachtung mit Ver- geſſenheit, ſie wiſſen kaum daß die Gelehrten in der Welt ſind. Weil nun kein Gelehrter fuͤr Ungelehrte ſchreiben will, und da doch die ungelehrte Welt ſo gut ihr Beduͤrfniß zu leſen hat, als die gelehrte, ſo bleibt das Amt fuͤr Ungelehrte zu ſchreiben, endlich den Verfaſſern der Jnſeln Felſenburg, den Poſtillen- ſchreibern, und den moraliſchen Wochenblaͤt- tern, deren Faͤhigkeiten den Faͤhigkeiten der Leſer, die ſie ſich gewaͤhlt haben, viel genauer entſprechen, als die Faͤhigkeiten der groͤſten Gelehrten ihren Leſern, die daher weit mehr geleſen werden, als die groͤſten Ge- nien, die aber auch ihre Leſer nicht um einen Daum- breit hoͤher hinaufheben, die vielmehr ſehr oft nicht wenig beytragen, daß das Licht der wahren Gelehr- ten ſich nicht auf die Ungelehrten ausbreitet. Daher ſind einige Staͤdte bey uns ſo helle, und ganze Laͤnder ſind in der groͤſten Finſterniß. Seb. Aber die Wiſſenſchaften koͤnnen nicht alle- Hin-
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anruͤhren will. Die zwanzig Millionen Ungelehrten,
vergelten den 20000 Gelehrten Verachtung mit Ver-
geſſenheit, ſie wiſſen kaum daß die Gelehrten in der
Welt ſind. Weil nun kein Gelehrter fuͤr Ungelehrte
ſchreiben will, und da doch die ungelehrte Welt ſo
gut ihr Beduͤrfniß zu leſen hat, als die gelehrte, ſo
bleibt das Amt fuͤr Ungelehrte zu ſchreiben, endlich den
Verfaſſern der Jnſeln Felſenburg, den Poſtillen-
ſchreibern, und den moraliſchen Wochenblaͤt-
tern, deren Faͤhigkeiten den Faͤhigkeiten der Leſer, die
ſie ſich gewaͤhlt haben, viel genauer entſprechen, als die
Faͤhigkeiten der groͤſten Gelehrten ihren Leſern, die
daher weit mehr geleſen werden, als die groͤſten Ge-
nien, die aber auch ihre Leſer nicht um einen Daum-
breit hoͤher hinaufheben, die vielmehr ſehr oft nicht
wenig beytragen, daß das Licht der wahren Gelehr-
ten ſich nicht auf die Ungelehrten ausbreitet. Daher
ſind einige Staͤdte bey uns ſo helle, und ganze Laͤnder
ſind in der groͤſten Finſterniß.
Seb. Aber die Wiſſenſchaften koͤnnen nicht alle-
mahl ſo faßlich vorgetragen werden, daß ſie der große
Haufen begreifen kan, ſie wuͤrden ſonſt nicht allein
nicht erweitert werden, ſondern ſie wuͤrden endlich in
ein ſeichtes Geſchwaͤtz ausarten, das man bey halbem
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