mich schon oft über Sie gewundert, da Sie wissen was große Gelehrten von Büchern urtheilen, und doch schlechte Bücher drucken und verkaufen.
Hier. Mein Freund! der Geschmack der großen Gelehrten ist der Geschmack sehr weniger Leute. Der Buchhändler aber braucht sehr viele Käufer, wenn er sein Geschäft treiben soll. Daher kommt es, daß so oft Autor und Verleger bey dem besten beiderseitigen Willen, sich nicht vereinigen können. Jener will den innern Werth seines Buchs verkaufen, dieser will bloß eine Wahrscheinlichkeit des Absatzes kaufen. Je- ner schätzt seinen und seines Buches Werth nach dem Beifalle einiger wenigen Edlen. Dieser überlegt, ob es möglich oder wahrscheinlich sey, daß viele nach dem Buche lüstern seyn werden, ohne in Anschlag zu bringen, ob sie gelehrt oder ungelehrt, weise oder ein- fältig, nach Unterricht oder nach Zeitvertreib begierig sind. Sehen Sie den Tyroler der dort geschliffne optische Gläser zum Verkauffe herumträgt. Er hat kein Flint- glaß und keine Dollondsche Tuben. Fragen sie ihn, warum er nicht vorzüglich sich erkundigt, was für Gläser die grösten Astronomen verlangen? Er wird antworten: Jch verkaufe meine Gläser, ich be- kümmre mich nicht, ob man sie in Telescope setzt, um unbekannte Sterne zu observiren, oder in Perspective,
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mich ſchon oft uͤber Sie gewundert, da Sie wiſſen was große Gelehrten von Buͤchern urtheilen, und doch ſchlechte Buͤcher drucken und verkaufen.
Hier. Mein Freund! der Geſchmack der großen Gelehrten iſt der Geſchmack ſehr weniger Leute. Der Buchhaͤndler aber braucht ſehr viele Kaͤufer, wenn er ſein Geſchaͤft treiben ſoll. Daher kommt es, daß ſo oft Autor und Verleger bey dem beſten beiderſeitigen Willen, ſich nicht vereinigen koͤnnen. Jener will den innern Werth ſeines Buchs verkaufen, dieſer will bloß eine Wahrſcheinlichkeit des Abſatzes kaufen. Je- ner ſchaͤtzt ſeinen und ſeines Buches Werth nach dem Beifalle einiger wenigen Edlen. Dieſer uͤberlegt, ob es moͤglich oder wahrſcheinlich ſey, daß viele nach dem Buche luͤſtern ſeyn werden, ohne in Anſchlag zu bringen, ob ſie gelehrt oder ungelehrt, weiſe oder ein- faͤltig, nach Unterricht oder nach Zeitvertreib begierig ſind. Sehen Sie den Tyroler der dort geſchliffne optiſche Glaͤſer zum Verkauffe herumtraͤgt. Er hat kein Flint- glaß und keine Dollondſche Tuben. Fragen ſie ihn, warum er nicht vorzuͤglich ſich erkundigt, was fuͤr Glaͤſer die groͤſten Aſtronomen verlangen? Er wird antworten: Jch verkaufe meine Glaͤſer, ich be- kuͤmmre mich nicht, ob man ſie in Teleſcope ſetzt, um unbekannte Sterne zu obſerviren, oder in Perſpective,
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mich ſchon oft uͤber Sie gewundert, da Sie wiſſen was
große Gelehrten von Buͤchern urtheilen, und doch
ſchlechte Buͤcher drucken und verkaufen.
Hier. Mein Freund! der Geſchmack der großen
Gelehrten iſt der Geſchmack ſehr weniger Leute. Der
Buchhaͤndler aber braucht ſehr viele Kaͤufer, wenn er
ſein Geſchaͤft treiben ſoll. Daher kommt es, daß ſo
oft Autor und Verleger bey dem beſten beiderſeitigen
Willen, ſich nicht vereinigen koͤnnen. Jener will
den innern Werth ſeines Buchs verkaufen, dieſer will
bloß eine Wahrſcheinlichkeit des Abſatzes kaufen. Je-
ner ſchaͤtzt ſeinen und ſeines Buches Werth nach dem
Beifalle einiger wenigen Edlen. Dieſer uͤberlegt,
ob es moͤglich oder wahrſcheinlich ſey, daß viele nach
dem Buche luͤſtern ſeyn werden, ohne in Anſchlag zu
bringen, ob ſie gelehrt oder ungelehrt, weiſe oder ein-
faͤltig, nach Unterricht oder nach Zeitvertreib begierig
ſind. Sehen Sie den Tyroler der dort geſchliffne optiſche
Glaͤſer zum Verkauffe herumtraͤgt. Er hat kein Flint-
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ihn, warum er nicht vorzuͤglich ſich erkundigt, was
fuͤr Glaͤſer die groͤſten Aſtronomen verlangen? Er
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/139>, abgerufen am 22.07.2024.
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