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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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Seb. Alles was Sie mir sagen, ist mir unerhört.
Also giebt es unter den Uebersetzungen, und unter den
Uebersetzern auch wohl einen Rang oder Unterschied.

Mag. Allerdings! Ein Uebersetzer aus dem eng-
ländischen ist vornehmer, als ein Uebersetzer aus dem
französischen, weil er seltener ist. Ein Uebersetzer aus
dem italiänischen läßt sich schon bitten, ehe er zu ar-
beiten anfängt, und läßt sich nicht allemahl den Tag
vorschreiben, an dem er abliefern soll. Einen Uebersetzer
aus dem spanischen aber, findet man fast gar nicht,
daher kömmt es auch, daß zuweilen Leute aus dieser
Sprache übersetzen, wenn sie sie gleich nicht verstehen.
Uebersetzer aus dem lateinischen und griechischen sind
häufig, werden aber gar nicht gesucht, daher bieten sie
sich mehrentheils selbst an. Außerdem giebt es auch
Uebersetzer, die zeitlebens gar nichts anders thun als
übersetzen; Uebersetzer, die ihre Uebersetzungen in Ne-
benstunden zur Erholung machen, wie die Frauen-
zimmer die Knötchenarbeit, Marly und Filet; Vor-
nehme Uebersetzer, diese begleiten ihre Uebersetzungen
mit einer Vorrede, und versichern die Welt, daß das
Original sehr gut sey; Gelehrte Uebersetzer, diese verbes-
sern ihre Uebersetzungen, begleiten sie mit Anmerkungen
und versichern, daß es sehr schlecht sey, daß Sie es
aber doch leidlich gemacht hätten; Uebersetzer, die

durch
G 2


Seb. Alles was Sie mir ſagen, iſt mir unerhoͤrt.
Alſo giebt es unter den Ueberſetzungen, und unter den
Ueberſetzern auch wohl einen Rang oder Unterſchied.

Mag. Allerdings! Ein Ueberſetzer aus dem eng-
laͤndiſchen iſt vornehmer, als ein Ueberſetzer aus dem
franzoͤſiſchen, weil er ſeltener iſt. Ein Ueberſetzer aus
dem italiaͤniſchen laͤßt ſich ſchon bitten, ehe er zu ar-
beiten anfaͤngt, und laͤßt ſich nicht allemahl den Tag
vorſchreiben, an dem er abliefern ſoll. Einen Ueberſetzer
aus dem ſpaniſchen aber, findet man faſt gar nicht,
daher koͤmmt es auch, daß zuweilen Leute aus dieſer
Sprache uͤberſetzen, wenn ſie ſie gleich nicht verſtehen.
Ueberſetzer aus dem lateiniſchen und griechiſchen ſind
haͤufig, werden aber gar nicht geſucht, daher bieten ſie
ſich mehrentheils ſelbſt an. Außerdem giebt es auch
Ueberſetzer, die zeitlebens gar nichts anders thun als
uͤberſetzen; Ueberſetzer, die ihre Ueberſetzungen in Ne-
benſtunden zur Erholung machen, wie die Frauen-
zimmer die Knoͤtchenarbeit, Marly und Filet; Vor-
nehme Ueberſetzer, dieſe begleiten ihre Ueberſetzungen
mit einer Vorrede, und verſichern die Welt, daß das
Original ſehr gut ſey; Gelehrte Ueberſetzer, dieſe verbeſ-
ſern ihre Ueberſetzungen, begleiten ſie mit Anmerkungen
und verſichern, daß es ſehr ſchlecht ſey, daß Sie es
aber doch leidlich gemacht haͤtten; Ueberſetzer, die

durch
G 2
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[99/0123] Seb. Alles was Sie mir ſagen, iſt mir unerhoͤrt. Alſo giebt es unter den Ueberſetzungen, und unter den Ueberſetzern auch wohl einen Rang oder Unterſchied. Mag. Allerdings! Ein Ueberſetzer aus dem eng- laͤndiſchen iſt vornehmer, als ein Ueberſetzer aus dem franzoͤſiſchen, weil er ſeltener iſt. Ein Ueberſetzer aus dem italiaͤniſchen laͤßt ſich ſchon bitten, ehe er zu ar- beiten anfaͤngt, und laͤßt ſich nicht allemahl den Tag vorſchreiben, an dem er abliefern ſoll. Einen Ueberſetzer aus dem ſpaniſchen aber, findet man faſt gar nicht, daher koͤmmt es auch, daß zuweilen Leute aus dieſer Sprache uͤberſetzen, wenn ſie ſie gleich nicht verſtehen. Ueberſetzer aus dem lateiniſchen und griechiſchen ſind haͤufig, werden aber gar nicht geſucht, daher bieten ſie ſich mehrentheils ſelbſt an. Außerdem giebt es auch Ueberſetzer, die zeitlebens gar nichts anders thun als uͤberſetzen; Ueberſetzer, die ihre Ueberſetzungen in Ne- benſtunden zur Erholung machen, wie die Frauen- zimmer die Knoͤtchenarbeit, Marly und Filet; Vor- nehme Ueberſetzer, dieſe begleiten ihre Ueberſetzungen mit einer Vorrede, und verſichern die Welt, daß das Original ſehr gut ſey; Gelehrte Ueberſetzer, dieſe verbeſ- ſern ihre Ueberſetzungen, begleiten ſie mit Anmerkungen und verſichern, daß es ſehr ſchlecht ſey, daß Sie es aber doch leidlich gemacht haͤtten; Ueberſetzer, die durch G 2

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/123>, abgerufen am 29.11.2024.