Seb. Jch wenigstens halte die Verfertigung sol- cher Aufsätze für ein Opus operatum, bei dem gewöhn- licherweise mehr die Hand als der Kopf nöthig ist.
Mag. O man kann ein Schriftsteller von vielen Bänden werden, ohne den Kopf sonderlich anzustren- gen. Was denken Sie wohl Z. B. von einem Pre- diger der seine gehaltene Predigten drucken läst?
Seb. Wenn meine Gemeinde meine Predigten verlangte, so würde ich sie sehr gern zu ihrem Ge- brauche drucken lassen, denn warum folte ich ihr nicht schriftlich sagen, was ich ihr mündlich gesagt habe? Aber auch bloß für meine Gemeine solten meine Pre- digten gedruckt werden. Jch habe meine Predigten immer besonders nach den Umständen meiner Gemeine eingerichtet. Nun würde ich immer denken, die Welt würde nicht weiter nutzen können, was ich blos mei- ner Gemeine, gesagt habe, als das, was ich als Vater meinen Kindern zu ihrem bessern Verhalten einge- schärft habe.
Mag. Vielleicht würde doch die Welt, das was Sie so bescheiden ankündigen, mit mehrerm Nutzen lesen, als die Predigten der Herren, welche die ganze Welt für ihre Diöcese halten.
Seb. Es kan seyn, daß auch in meinen Predig- ten etwas gemeinnütziges ist, aber doch würde das
Bänd-
Seb. Jch wenigſtens halte die Verfertigung ſol- cher Aufſaͤtze fuͤr ein Opus operatum, bei dem gewoͤhn- licherweiſe mehr die Hand als der Kopf noͤthig iſt.
Mag. O man kann ein Schriftſteller von vielen Baͤnden werden, ohne den Kopf ſonderlich anzuſtren- gen. Was denken Sie wohl Z. B. von einem Pre- diger der ſeine gehaltene Predigten drucken laͤſt?
Seb. Wenn meine Gemeinde meine Predigten verlangte, ſo wuͤrde ich ſie ſehr gern zu ihrem Ge- brauche drucken laſſen, denn warum folte ich ihr nicht ſchriftlich ſagen, was ich ihr muͤndlich geſagt habe? Aber auch bloß fuͤr meine Gemeine ſolten meine Pre- digten gedruckt werden. Jch habe meine Predigten immer beſonders nach den Umſtaͤnden meiner Gemeine eingerichtet. Nun wuͤrde ich immer denken, die Welt wuͤrde nicht weiter nutzen koͤnnen, was ich blos mei- ner Gemeine, geſagt habe, als das, was ich als Vater meinen Kindern zu ihrem beſſern Verhalten einge- ſchaͤrft habe.
Mag. Vielleicht wuͤrde doch die Welt, das was Sie ſo beſcheiden ankuͤndigen, mit mehrerm Nutzen leſen, als die Predigten der Herren, welche die ganze Welt fuͤr ihre Dioͤceſe halten.
Seb. Es kan ſeyn, daß auch in meinen Predig- ten etwas gemeinnuͤtziges iſt, aber doch wuͤrde das
Baͤnd-
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Seb. Jch wenigſtens halte die Verfertigung ſol-
cher Aufſaͤtze fuͤr ein Opus operatum, bei dem gewoͤhn-
licherweiſe mehr die Hand als der Kopf noͤthig iſt.
Mag. O man kann ein Schriftſteller von vielen
Baͤnden werden, ohne den Kopf ſonderlich anzuſtren-
gen. Was denken Sie wohl Z. B. von einem Pre-
diger der ſeine gehaltene Predigten drucken laͤſt?
Seb. Wenn meine Gemeinde meine Predigten
verlangte, ſo wuͤrde ich ſie ſehr gern zu ihrem Ge-
brauche drucken laſſen, denn warum folte ich ihr nicht
ſchriftlich ſagen, was ich ihr muͤndlich geſagt habe?
Aber auch bloß fuͤr meine Gemeine ſolten meine Pre-
digten gedruckt werden. Jch habe meine Predigten
immer beſonders nach den Umſtaͤnden meiner Gemeine
eingerichtet. Nun wuͤrde ich immer denken, die Welt
wuͤrde nicht weiter nutzen koͤnnen, was ich blos mei-
ner Gemeine, geſagt habe, als das, was ich als Vater
meinen Kindern zu ihrem beſſern Verhalten einge-
ſchaͤrft habe.
Mag. Vielleicht wuͤrde doch die Welt, das was
Sie ſo beſcheiden ankuͤndigen, mit mehrerm Nutzen
leſen, als die Predigten der Herren, welche die ganze
Welt fuͤr ihre Dioͤceſe halten.
Seb. Es kan ſeyn, daß auch in meinen Predig-
ten etwas gemeinnuͤtziges iſt, aber doch wuͤrde das
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/118>, abgerufen am 22.07.2024.
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