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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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die von Jhnen vorher angeführten schönen Absichten,
sondern einige kleine Nebenabsichten Sie zum Schrift-
steller machen.

Seb. Jch bin mir keiner Nebenabsichten bewust.
Walche könte ich auch haben?

Mag. Jch weiß nicht. Vielleicht ein wenig
Ruhmsucht. Sie wollen der Welt gern etwas
neues und scharsfinniges sagen, denn etwas für das
menschliche Geschlecht nützliches werden Sie doch
schwerlich sagen können. Die Apocalypse ist eine dick-
schäligte Citrone, aus der so viele hundert Commenta-
toren, den wenigen Saft der in ihr war, schon längst
ausgepreßt haben.

Seb. Wenn sie nicht mehr Saft in sich hat, so
könte sie doch vielleicht noch Oel enthalten. Glauben
Sie nicht, daß es dem menschlichen Geschlechte wich-
tig wäre, wenn ich zeigte, daß alles was man bisher,
über dis seit vielen Jahrhunderten vielen Menschen
so wichtig scheinende Buch, geschrieben hat, alberne
Fratzen sind, voller Unsinn, auf Kosten des gesun-
den Menschenverstandes, der Religion und der Ge-
schichte gesagt. Wäre es nicht ein Verdienst so viel
Lügen um ihr Ansehen zu bringen, wenn ich auch nur
wenig Wahrheit an die Stelle setzen könte. Und
gleichwohl, ohne ruhmredig zu seyn, versichere ich, daß

ich



die von Jhnen vorher angefuͤhrten ſchoͤnen Abſichten,
ſondern einige kleine Nebenabſichten Sie zum Schrift-
ſteller machen.

Seb. Jch bin mir keiner Nebenabſichten bewuſt.
Walche koͤnte ich auch haben?

Mag. Jch weiß nicht. Vielleicht ein wenig
Ruhmſucht. Sie wollen der Welt gern etwas
neues und ſcharſfinniges ſagen, denn etwas fuͤr das
menſchliche Geſchlecht nuͤtzliches werden Sie doch
ſchwerlich ſagen koͤnnen. Die Apocalypſe iſt eine dick-
ſchaͤligte Citrone, aus der ſo viele hundert Commenta-
toren, den wenigen Saft der in ihr war, ſchon laͤngſt
ausgepreßt haben.

Seb. Wenn ſie nicht mehr Saft in ſich hat, ſo
koͤnte ſie doch vielleicht noch Oel enthalten. Glauben
Sie nicht, daß es dem menſchlichen Geſchlechte wich-
tig waͤre, wenn ich zeigte, daß alles was man bisher,
uͤber dis ſeit vielen Jahrhunderten vielen Menſchen
ſo wichtig ſcheinende Buch, geſchrieben hat, alberne
Fratzen ſind, voller Unſinn, auf Koſten des geſun-
den Menſchenverſtandes, der Religion und der Ge-
ſchichte geſagt. Waͤre es nicht ein Verdienſt ſo viel
Luͤgen um ihr Anſehen zu bringen, wenn ich auch nur
wenig Wahrheit an die Stelle ſetzen koͤnte. Und
gleichwohl, ohne ruhmredig zu ſeyn, verſichere ich, daß

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[86/0110] die von Jhnen vorher angefuͤhrten ſchoͤnen Abſichten, ſondern einige kleine Nebenabſichten Sie zum Schrift- ſteller machen. Seb. Jch bin mir keiner Nebenabſichten bewuſt. Walche koͤnte ich auch haben? Mag. Jch weiß nicht. Vielleicht ein wenig Ruhmſucht. Sie wollen der Welt gern etwas neues und ſcharſfinniges ſagen, denn etwas fuͤr das menſchliche Geſchlecht nuͤtzliches werden Sie doch ſchwerlich ſagen koͤnnen. Die Apocalypſe iſt eine dick- ſchaͤligte Citrone, aus der ſo viele hundert Commenta- toren, den wenigen Saft der in ihr war, ſchon laͤngſt ausgepreßt haben. Seb. Wenn ſie nicht mehr Saft in ſich hat, ſo koͤnte ſie doch vielleicht noch Oel enthalten. Glauben Sie nicht, daß es dem menſchlichen Geſchlechte wich- tig waͤre, wenn ich zeigte, daß alles was man bisher, uͤber dis ſeit vielen Jahrhunderten vielen Menſchen ſo wichtig ſcheinende Buch, geſchrieben hat, alberne Fratzen ſind, voller Unſinn, auf Koſten des geſun- den Menſchenverſtandes, der Religion und der Ge- ſchichte geſagt. Waͤre es nicht ein Verdienſt ſo viel Luͤgen um ihr Anſehen zu bringen, wenn ich auch nur wenig Wahrheit an die Stelle ſetzen koͤnte. Und gleichwohl, ohne ruhmredig zu ſeyn, verſichere ich, daß ich

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/110>, abgerufen am 24.11.2024.