Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

Bild:
<< vorherige Seite



es war ihm nie eingefallen zu erörtern, ob das Ho-
mannsche Haus oder die Wage schöner gebauet sey,
ob am Erker des Romanusschen Hauses, mit Rechte,
drey übereinanderstehende Säulenordnungen auf einem
Kragsteine ruhen, oder ob im Großbosischen Garten
die fleißige Kunst die schönsten Anlagen der Natur
verderbt habe. Den schönsten unter den Leipziger
Gärten, den Richterschen, hatte er eben so wenig,
als die reizende Aussicht aus demselben gegen das Zscho-
chersche Hölzgen zu, gesehen. Die schöne Gegend hinter
Raschwitz war ihm nicht zu Gesichte gekommen, und
vom Linkschen, Winklerschen und Richterschen Ca-
binette, hatte er nicht einmahl reden hören. Weil
die Rathsbibliothek und die Universitätsbibliothek,
die einzigen Gegenstände seiner Neugierde, in der
Messe nicht offen waren, so hatte er alle Tage seines
Aufenthalts in Leipzig damit zugebracht, von Dru-
ckerey zu Druckerey und von Buchladen zu Buchla-
den zu wandern. Noch ganz voll von diesen Gegen-
ständen, rief er aus:

Wie solte mir Leipzig nicht gefallen, der ächte
Sitz der Gelehrsamkeit, die wahre Stapelstadt ge-
lehrter Kenntnisse, welche aus Deutschland hieher ein-
gesamlet, und von hieraus allen andern deutschen Pro-
vinzen wieder mitgetheilet werden! Hier siehet man

in



es war ihm nie eingefallen zu eroͤrtern, ob das Ho-
mannſche Haus oder die Wage ſchoͤner gebauet ſey,
ob am Erker des Romanusſchen Hauſes, mit Rechte,
drey uͤbereinanderſtehende Saͤulenordnungen auf einem
Kragſteine ruhen, oder ob im Großboſiſchen Garten
die fleißige Kunſt die ſchoͤnſten Anlagen der Natur
verderbt habe. Den ſchoͤnſten unter den Leipziger
Gaͤrten, den Richterſchen, hatte er eben ſo wenig,
als die reizende Ausſicht aus demſelben gegen das Zſcho-
cherſche Hoͤlzgen zu, geſehen. Die ſchoͤne Gegend hinter
Raſchwitz war ihm nicht zu Geſichte gekommen, und
vom Linkſchen, Winklerſchen und Richterſchen Ca-
binette, hatte er nicht einmahl reden hoͤren. Weil
die Rathsbibliothek und die Univerſitaͤtsbibliothek,
die einzigen Gegenſtaͤnde ſeiner Neugierde, in der
Meſſe nicht offen waren, ſo hatte er alle Tage ſeines
Aufenthalts in Leipzig damit zugebracht, von Dru-
ckerey zu Druckerey und von Buchladen zu Buchla-
den zu wandern. Noch ganz voll von dieſen Gegen-
ſtaͤnden, rief er aus:

Wie ſolte mir Leipzig nicht gefallen, der aͤchte
Sitz der Gelehrſamkeit, die wahre Stapelſtadt ge-
lehrter Kenntniſſe, welche aus Deutſchland hieher ein-
geſamlet, und von hieraus allen andern deutſchen Pro-
vinzen wieder mitgetheilet werden! Hier ſiehet man

in
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0106" n="82"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
es war ihm nie eingefallen zu ero&#x0364;rtern, ob das Ho-<lb/>
mann&#x017F;che Haus oder die Wage &#x017F;cho&#x0364;ner gebauet &#x017F;ey,<lb/>
ob am Erker des Romanus&#x017F;chen Hau&#x017F;es, mit Rechte,<lb/>
drey u&#x0364;bereinander&#x017F;tehende Sa&#x0364;ulenordnungen auf einem<lb/>
Krag&#x017F;teine ruhen, oder ob im Großbo&#x017F;i&#x017F;chen Garten<lb/>
die fleißige Kun&#x017F;t die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Anlagen der Natur<lb/>
verderbt habe. Den &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten unter den Leipziger<lb/>
Ga&#x0364;rten, den <hi rendition="#fr">Richter&#x017F;chen,</hi> hatte er eben &#x017F;o wenig,<lb/>
als die reizende Aus&#x017F;icht aus dem&#x017F;elben gegen das Z&#x017F;cho-<lb/>
cher&#x017F;che Ho&#x0364;lzgen zu, ge&#x017F;ehen. Die &#x017F;cho&#x0364;ne Gegend hinter<lb/>
Ra&#x017F;chwitz war ihm nicht zu Ge&#x017F;ichte gekommen, und<lb/>
vom Link&#x017F;chen, Winkler&#x017F;chen und Richter&#x017F;chen Ca-<lb/>
binette, hatte er nicht einmahl reden ho&#x0364;ren. Weil<lb/>
die Rathsbibliothek und die Univer&#x017F;ita&#x0364;tsbibliothek,<lb/>
die einzigen Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde &#x017F;einer Neugierde, in der<lb/>
Me&#x017F;&#x017F;e nicht offen waren, &#x017F;o hatte er alle Tage &#x017F;eines<lb/>
Aufenthalts in Leipzig damit zugebracht, von Dru-<lb/>
ckerey zu Druckerey und von Buchladen zu Buchla-<lb/>
den zu wandern. Noch ganz voll von die&#x017F;en Gegen-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nden, rief er aus:</p><lb/>
          <p>Wie &#x017F;olte mir Leipzig nicht gefallen, der a&#x0364;chte<lb/>
Sitz der Gelehr&#x017F;amkeit, die wahre Stapel&#x017F;tadt ge-<lb/>
lehrter Kenntni&#x017F;&#x017F;e, welche aus Deut&#x017F;chland hieher ein-<lb/>
ge&#x017F;amlet, und von hieraus allen andern deut&#x017F;chen Pro-<lb/>
vinzen wieder mitgetheilet werden! Hier &#x017F;iehet man<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0106] es war ihm nie eingefallen zu eroͤrtern, ob das Ho- mannſche Haus oder die Wage ſchoͤner gebauet ſey, ob am Erker des Romanusſchen Hauſes, mit Rechte, drey uͤbereinanderſtehende Saͤulenordnungen auf einem Kragſteine ruhen, oder ob im Großboſiſchen Garten die fleißige Kunſt die ſchoͤnſten Anlagen der Natur verderbt habe. Den ſchoͤnſten unter den Leipziger Gaͤrten, den Richterſchen, hatte er eben ſo wenig, als die reizende Ausſicht aus demſelben gegen das Zſcho- cherſche Hoͤlzgen zu, geſehen. Die ſchoͤne Gegend hinter Raſchwitz war ihm nicht zu Geſichte gekommen, und vom Linkſchen, Winklerſchen und Richterſchen Ca- binette, hatte er nicht einmahl reden hoͤren. Weil die Rathsbibliothek und die Univerſitaͤtsbibliothek, die einzigen Gegenſtaͤnde ſeiner Neugierde, in der Meſſe nicht offen waren, ſo hatte er alle Tage ſeines Aufenthalts in Leipzig damit zugebracht, von Dru- ckerey zu Druckerey und von Buchladen zu Buchla- den zu wandern. Noch ganz voll von dieſen Gegen- ſtaͤnden, rief er aus: Wie ſolte mir Leipzig nicht gefallen, der aͤchte Sitz der Gelehrſamkeit, die wahre Stapelſtadt ge- lehrter Kenntniſſe, welche aus Deutſchland hieher ein- geſamlet, und von hieraus allen andern deutſchen Pro- vinzen wieder mitgetheilet werden! Hier ſiehet man in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/106
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/106>, abgerufen am 23.11.2024.