die übrige Zeit auf seine apocalyptische Erklärung wen- den konnte, die ihm, wie ein alter Freund, in seinen Widerwärtigkeiten nur noch lieber geworden war.
Ob übrigens Sebaldus zuerst den Herrn D. Er- nesti oder den Herrn D. Crusius besucht habe, wis- sen wir nicht. Vielleicht hat er bedacht, daß ein ar- mer Corrector nicht so leicht zu einem vertraulichen Umgang mit solchen Männern gelange, und daß es unnütz sey, einen Gelehrten auf eine halbe Viertel- stunde zu besuchen, um sein Gesicht zu begaffen, und ist also gar zu Hause geblieben. Ob er jemals Prof. Gellerts moralischen Vorlesungen beigewohnt, oder jemals mit Mag. Froriep über die symboli- schen Bücher, oder über die Nunnation der arabischen Nennwörter disputirt habe, läßt sich auch so genau nicht sagen. Ob er in der Nicolaikirche, des in Leipzig und dessen sämtlichen Vorstädten berühmten Mag. Mat- thesius salbungsvolle Predigten wider die Schau- bühne mit angehört, oder ob er zu eben der Zeit da sie gehalten worden, im Kuchengarten, des eben so weit berühmten Händels von Butter triefende Maul- schellen und Wetzsteine verzehret habe, darüber sind gar keine Nachrichten vorhanden.
Es haben sehr ernsthafte Gelehrten behauptet, daß die Wahrheit das Wesen der Geschichte sey.
Wir
die uͤbrige Zeit auf ſeine apocalyptiſche Erklaͤrung wen- den konnte, die ihm, wie ein alter Freund, in ſeinen Widerwaͤrtigkeiten nur noch lieber geworden war.
Ob uͤbrigens Sebaldus zuerſt den Herrn D. Er- neſti oder den Herrn D. Cruſius beſucht habe, wiſ- ſen wir nicht. Vielleicht hat er bedacht, daß ein ar- mer Corrector nicht ſo leicht zu einem vertraulichen Umgang mit ſolchen Maͤnnern gelange, und daß es unnuͤtz ſey, einen Gelehrten auf eine halbe Viertel- ſtunde zu beſuchen, um ſein Geſicht zu begaffen, und iſt alſo gar zu Hauſe geblieben. Ob er jemals Prof. Gellerts moraliſchen Vorleſungen beigewohnt, oder jemals mit Mag. Froriep uͤber die ſymboli- ſchen Buͤcher, oder uͤber die Nunnation der arabiſchen Nennwoͤrter diſputirt habe, laͤßt ſich auch ſo genau nicht ſagen. Ob er in der Nicolaikirche, des in Leipzig und deſſen ſaͤmtlichen Vorſtaͤdten beruͤhmten Mag. Mat- theſius ſalbungsvolle Predigten wider die Schau- buͤhne mit angehoͤrt, oder ob er zu eben der Zeit da ſie gehalten worden, im Kuchengarten, des eben ſo weit beruͤhmten Haͤndels von Butter triefende Maul- ſchellen und Wetzſteine verzehret habe, daruͤber ſind gar keine Nachrichten vorhanden.
Es haben ſehr ernſthafte Gelehrten behauptet, daß die Wahrheit das Weſen der Geſchichte ſey.
Wir
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die uͤbrige Zeit auf ſeine apocalyptiſche Erklaͤrung wen-
den konnte, die ihm, wie ein alter Freund, in ſeinen
Widerwaͤrtigkeiten nur noch lieber geworden war.
Ob uͤbrigens Sebaldus zuerſt den Herrn D. Er-
neſti oder den Herrn D. Cruſius beſucht habe, wiſ-
ſen wir nicht. Vielleicht hat er bedacht, daß ein ar-
mer Corrector nicht ſo leicht zu einem vertraulichen
Umgang mit ſolchen Maͤnnern gelange, und daß es
unnuͤtz ſey, einen Gelehrten auf eine halbe Viertel-
ſtunde zu beſuchen, um ſein Geſicht zu begaffen, und
iſt alſo gar zu Hauſe geblieben. Ob er jemals Prof.
Gellerts moraliſchen Vorleſungen beigewohnt,
oder jemals mit Mag. Froriep uͤber die ſymboli-
ſchen Buͤcher, oder uͤber die Nunnation der arabiſchen
Nennwoͤrter diſputirt habe, laͤßt ſich auch ſo genau nicht
ſagen. Ob er in der Nicolaikirche, des in Leipzig und
deſſen ſaͤmtlichen Vorſtaͤdten beruͤhmten Mag. Mat-
theſius ſalbungsvolle Predigten wider die Schau-
buͤhne mit angehoͤrt, oder ob er zu eben der Zeit da
ſie gehalten worden, im Kuchengarten, des eben ſo
weit beruͤhmten Haͤndels von Butter triefende Maul-
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/101>, abgerufen am 22.07.2024.
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