Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

gern mit allen zehn Fingern in's Gesicht gefah-
ren, wenn ich es nicht fein säuberlich beim Kra-
gen genommen und an und zur Stubenthüre
hinausgeschuppt hätte, wie recht und billig war.
Darüber gerieth aber wiederum der Herr Com-
mandant in Hitze. Er griff nach dem Degen und
würde ihn ohne Zweifel gegen mich gezogen ha-
ben, wäre ihm nicht mein Begleiter in den Arm
gefallen und hätte ihm zugerufen: "Beruhigen
Sie sich! Nettelbeck hat recht gethan." -- Er
kam zur Besinnung: aber mit dem Vorschlage
zur' Ueberschwemmung blieb es, wie es war. Da-
gegen geschahen einige Kanonenschüsse aus der
Festung -- die ersten, welche gegen den Feind
gelöset wurden, und mit welchen also auch die
Geschichte der Belagerung anheben mag.

An dem nemlichen Tage (den 14. Merz)
hatten die Franzosen schon früh das Dörfchen
Bullenwinkel -- ich weiß nicht, ob aus Frevel-
muth, oder um irgend einen militairischen Zweck
dadurch zu erreichen -- im Rauche aufgehen las-
sen. War es nun, daß unser Commandant ih-
nen in dieser Kunst nicht nachstehen wollte, oder
daß er wirklich für ein Eindringen und Festsetzen
derselben in der Lauenburger Vorstadt besorgt
war (was wenigstens solange keine Noth hatte,
als unsre Ziegelschanze am Damme sich noch
hielt) -- genug, er beschloß, diese Vorstadt gänz-
lich abzubrennen, welche gleichwohl in den frü-
heren Belagerungen unversehrt hatte stehen blei-

gern mit allen zehn Fingern in’s Geſicht gefah-
ren, wenn ich es nicht fein ſaͤuberlich beim Kra-
gen genommen und an und zur Stubenthuͤre
hinausgeſchuppt haͤtte, wie recht und billig war.
Daruͤber gerieth aber wiederum der Herr Com-
mandant in Hitze. Er griff nach dem Degen und
wuͤrde ihn ohne Zweifel gegen mich gezogen ha-
ben, waͤre ihm nicht mein Begleiter in den Arm
gefallen und haͤtte ihm zugerufen: „Beruhigen
Sie ſich! Nettelbeck hat recht gethan.‟ — Er
kam zur Beſinnung: aber mit dem Vorſchlage
zur’ Ueberſchwemmung blieb es, wie es war. Da-
gegen geſchahen einige Kanonenſchuͤſſe aus der
Feſtung — die erſten, welche gegen den Feind
geloͤſet wurden, und mit welchen alſo auch die
Geſchichte der Belagerung anheben mag.

An dem nemlichen Tage (den 14. Merz)
hatten die Franzoſen ſchon fruͤh das Doͤrfchen
Bullenwinkel — ich weiß nicht, ob aus Frevel-
muth, oder um irgend einen militairiſchen Zweck
dadurch zu erreichen — im Rauche aufgehen laſ-
ſen. War es nun, daß unſer Commandant ih-
nen in dieſer Kunſt nicht nachſtehen wollte, oder
daß er wirklich fuͤr ein Eindringen und Feſtſetzen
derſelben in der Lauenburger Vorſtadt beſorgt
war (was wenigſtens ſolange keine Noth hatte,
als unſre Ziegelſchanze am Damme ſich noch
hielt) — genug, er beſchloß, dieſe Vorſtadt gaͤnz-
lich abzubrennen, welche gleichwohl in den fruͤ-
heren Belagerungen unverſehrt hatte ſtehen blei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0084" n="68"/>
gern mit allen zehn Fingern in&#x2019;s Ge&#x017F;icht gefah-<lb/>
ren, wenn ich es nicht fein &#x017F;a&#x0364;uberlich beim Kra-<lb/>
gen genommen und an und zur Stubenthu&#x0364;re<lb/>
hinausge&#x017F;chuppt ha&#x0364;tte, wie recht und billig war.<lb/>
Daru&#x0364;ber gerieth aber wiederum der Herr Com-<lb/>
mandant in Hitze. Er griff nach dem Degen und<lb/>
wu&#x0364;rde ihn ohne Zweifel gegen mich gezogen ha-<lb/>
ben, wa&#x0364;re ihm nicht mein Begleiter in den Arm<lb/>
gefallen und ha&#x0364;tte ihm zugerufen: &#x201E;Beruhigen<lb/>
Sie &#x017F;ich! Nettelbeck hat recht gethan.&#x201F; &#x2014; Er<lb/>
kam zur Be&#x017F;innung: aber mit dem Vor&#x017F;chlage<lb/>
zur&#x2019; Ueber&#x017F;chwemmung blieb es, wie es war. Da-<lb/>
gegen ge&#x017F;chahen einige Kanonen&#x017F;chu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e aus der<lb/>
Fe&#x017F;tung &#x2014; die er&#x017F;ten, welche gegen den Feind<lb/>
gelo&#x0364;&#x017F;et wurden, und mit welchen al&#x017F;o auch die<lb/>
Ge&#x017F;chichte der Belagerung anheben mag.</p><lb/>
        <p>An dem nemlichen Tage (den 14. Merz)<lb/>
hatten die Franzo&#x017F;en &#x017F;chon fru&#x0364;h das Do&#x0364;rfchen<lb/>
Bullenwinkel &#x2014; ich weiß nicht, ob aus Frevel-<lb/>
muth, oder um irgend einen militairi&#x017F;chen Zweck<lb/>
dadurch zu erreichen &#x2014; im Rauche aufgehen la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. War es nun, daß un&#x017F;er Commandant ih-<lb/>
nen in die&#x017F;er Kun&#x017F;t nicht nach&#x017F;tehen wollte, oder<lb/>
daß er wirklich fu&#x0364;r ein Eindringen und Fe&#x017F;t&#x017F;etzen<lb/>
der&#x017F;elben in der Lauenburger Vor&#x017F;tadt be&#x017F;orgt<lb/>
war (was wenig&#x017F;tens &#x017F;olange keine Noth hatte,<lb/>
als un&#x017F;re Ziegel&#x017F;chanze am Damme &#x017F;ich noch<lb/>
hielt) &#x2014; genug, er be&#x017F;chloß, die&#x017F;e Vor&#x017F;tadt ga&#x0364;nz-<lb/>
lich abzubrennen, welche gleichwohl in den fru&#x0364;-<lb/>
heren Belagerungen unver&#x017F;ehrt hatte &#x017F;tehen blei-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0084] gern mit allen zehn Fingern in’s Geſicht gefah- ren, wenn ich es nicht fein ſaͤuberlich beim Kra- gen genommen und an und zur Stubenthuͤre hinausgeſchuppt haͤtte, wie recht und billig war. Daruͤber gerieth aber wiederum der Herr Com- mandant in Hitze. Er griff nach dem Degen und wuͤrde ihn ohne Zweifel gegen mich gezogen ha- ben, waͤre ihm nicht mein Begleiter in den Arm gefallen und haͤtte ihm zugerufen: „Beruhigen Sie ſich! Nettelbeck hat recht gethan.‟ — Er kam zur Beſinnung: aber mit dem Vorſchlage zur’ Ueberſchwemmung blieb es, wie es war. Da- gegen geſchahen einige Kanonenſchuͤſſe aus der Feſtung — die erſten, welche gegen den Feind geloͤſet wurden, und mit welchen alſo auch die Geſchichte der Belagerung anheben mag. An dem nemlichen Tage (den 14. Merz) hatten die Franzoſen ſchon fruͤh das Doͤrfchen Bullenwinkel — ich weiß nicht, ob aus Frevel- muth, oder um irgend einen militairiſchen Zweck dadurch zu erreichen — im Rauche aufgehen laſ- ſen. War es nun, daß unſer Commandant ih- nen in dieſer Kunſt nicht nachſtehen wollte, oder daß er wirklich fuͤr ein Eindringen und Feſtſetzen derſelben in der Lauenburger Vorſtadt beſorgt war (was wenigſtens ſolange keine Noth hatte, als unſre Ziegelſchanze am Damme ſich noch hielt) — genug, er beſchloß, dieſe Vorſtadt gaͤnz- lich abzubrennen, welche gleichwohl in den fruͤ- heren Belagerungen unverſehrt hatte ſtehen blei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/84
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/84>, abgerufen am 22.11.2024.