und rief: "Meine Herren, Colberg kann und muß dem Könige erhalten werden; es koste, was es wolle! Wir haben Brodt und Waffen; und was uns noch fehlt, wird uns zur See zu- geführt werden. Wir Bürger sind, Alle für Ei- nen Mann, entschlossen, und wenn auch all unsre Häuser zu Schutthaufen würden, die Festung nicht übergeben zu lassen. Und hörten es je mei- ne Ohren, daß irgend Jemand -- Er sey Bür- ger oder Militair -- von Uebergabe spräche: bei Mannes Wort! dem rennte ich gleich auf der Stelle diesen meinen Degen durch den Leib; und sollt' ich ihn in der nächsten Minute mir selbst durch die Brust bohren müssen!" -- So giengen wir für diesmal, halb lachend, halb erzürnt, aus einander.
Bis zum 13. Merz hatte der Feind seine Umzingelung des Platzes vollendet, indem seine Truppen sich westlich beim Colberger Deep und östlich im Stadtwalde, nach Bodenhagen hin, an das Seeufer lehnten. Dennoch war die Ein- schliessung nicht so genau, daß nicht immer noch einige Nachrichten von aussen her, durch flüch- tende Landleute, zu uns durchgedrungen wären, die uns das dichtere Zusammenziehen der franzö- sischen Truppen ankündigten. Spätere Ausschi- ckungen von Reuter-Patrouillen, welche Schill veranstaltete, bestätigten diese Gerüchte. Ueber- haupt aber blieb uns auf dem Wege längs dem Strande, zumal nach Westen hin, noch manche
und rief: „Meine Herren, Colberg kann und muß dem Koͤnige erhalten werden; es koſte, was es wolle! Wir haben Brodt und Waffen; und was uns noch fehlt, wird uns zur See zu- gefuͤhrt werden. Wir Buͤrger ſind, Alle fuͤr Ei- nen Mann, entſchloſſen, und wenn auch all unſre Haͤuſer zu Schutthaufen wuͤrden, die Feſtung nicht uͤbergeben zu laſſen. Und hoͤrten es je mei- ne Ohren, daß irgend Jemand — Er ſey Buͤr- ger oder Militair — von Uebergabe ſpraͤche: bei Mannes Wort! dem rennte ich gleich auf der Stelle dieſen meinen Degen durch den Leib; und ſollt’ ich ihn in der naͤchſten Minute mir ſelbſt durch die Bruſt bohren muͤſſen!‟ — So giengen wir fuͤr diesmal, halb lachend, halb erzuͤrnt, aus einander.
Bis zum 13. Merz hatte der Feind ſeine Umzingelung des Platzes vollendet, indem ſeine Truppen ſich weſtlich beim Colberger Deep und oͤſtlich im Stadtwalde, nach Bodenhagen hin, an das Seeufer lehnten. Dennoch war die Ein- ſchlieſſung nicht ſo genau, daß nicht immer noch einige Nachrichten von auſſen her, durch fluͤch- tende Landleute, zu uns durchgedrungen waͤren, die uns das dichtere Zuſammenziehen der franzoͤ- ſiſchen Truppen ankuͤndigten. Spaͤtere Ausſchi- ckungen von Reuter-Patrouillen, welche Schill veranſtaltete, beſtaͤtigten dieſe Geruͤchte. Ueber- haupt aber blieb uns auf dem Wege laͤngs dem Strande, zumal nach Weſten hin, noch manche
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und rief: „Meine Herren, Colberg kann und
muß dem Koͤnige erhalten werden; es koſte,
was es wolle! Wir haben Brodt und Waffen;
und was uns noch fehlt, wird uns zur See zu-
gefuͤhrt werden. Wir Buͤrger ſind, Alle fuͤr Ei-
nen Mann, entſchloſſen, und wenn auch all unſre
Haͤuſer zu Schutthaufen wuͤrden, die Feſtung
nicht uͤbergeben zu laſſen. Und hoͤrten es je mei-
ne Ohren, daß irgend Jemand — Er ſey Buͤr-
ger oder Militair — von Uebergabe ſpraͤche: bei
Mannes Wort! dem rennte ich gleich auf der
Stelle dieſen meinen Degen durch den Leib; und
ſollt’ ich ihn in der naͤchſten Minute mir ſelbſt
durch die Bruſt bohren muͤſſen!‟ — So giengen
wir fuͤr diesmal, halb lachend, halb erzuͤrnt, aus
einander.
Bis zum 13. Merz hatte der Feind ſeine
Umzingelung des Platzes vollendet, indem ſeine
Truppen ſich weſtlich beim Colberger Deep und
oͤſtlich im Stadtwalde, nach Bodenhagen hin,
an das Seeufer lehnten. Dennoch war die Ein-
ſchlieſſung nicht ſo genau, daß nicht immer noch
einige Nachrichten von auſſen her, durch fluͤch-
tende Landleute, zu uns durchgedrungen waͤren,
die uns das dichtere Zuſammenziehen der franzoͤ-
ſiſchen Truppen ankuͤndigten. Spaͤtere Ausſchi-
ckungen von Reuter-Patrouillen, welche Schill
veranſtaltete, beſtaͤtigten dieſe Geruͤchte. Ueber-
haupt aber blieb uns auf dem Wege laͤngs dem
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/80>, abgerufen am 16.02.2025.
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