tungen nicht sogleich zu finden; die Ränkeschmiede und Selbstlinge aber waren nur um desto eifri- ger darauf bedacht, ihr Schäfchen dabei zu schee- ren und den blinden Unverstand nach ihren ge- heimen Absichten zu bearbeiten. Als es daher zur ersten Wahl der Stadt-Verordneten und ei- nes neuen Magistrats kam, gieng es dabei so stürmisch, unmoralisch und ordnungswidrig zu, daß ein jeder rechtschaffner Mann, der es wohl mit der Stadt meynte, sein äusserstes Mißfallen daran haben mußte.
Es kann mir also auch nicht als Lobspruch gelten sollen, wenn ich, obwohl als erster Stadt- Verordneter gewählt, mich dieser Ehre bedankte und mit einer Versammlung nichts zu schaffen haben wollte, von deren gleich im ersten Beginnen kund- gegebenen Gesinnungen ich nichts, als Unheil für die Stadt erwarten konnte. Zwar fehlte es nicht an dringendem Zureden meiner Freunde, welche in der Meynung standen, daß ich durch Ueber- nahme jenes Postens, wenn auch nicht Gutes sonderlich zu fördern, doch manches Böse durch meinen Einfluß zu verhüten im Stande seyn wür- de: allein das ganze Wesen, so wie es sich da gestaltet hatte, war mir ein Greuel, und ich lehnte es standhaft ab, mich damit zu bemengen. Noch ärger ward das Ding, als nun demnächst zur Raths-Wahl selbst geschritten werden sollte. Kabalen kreuzten sich mit Kabalen; einige recht- liche Männer, welche die gesetzliche Stimmen-
tungen nicht ſogleich zu finden; die Raͤnkeſchmiede und Selbſtlinge aber waren nur um deſto eifri- ger darauf bedacht, ihr Schaͤfchen dabei zu ſchee- ren und den blinden Unverſtand nach ihren ge- heimen Abſichten zu bearbeiten. Als es daher zur erſten Wahl der Stadt-Verordneten und ei- nes neuen Magiſtrats kam, gieng es dabei ſo ſtuͤrmiſch, unmoraliſch und ordnungswidrig zu, daß ein jeder rechtſchaffner Mann, der es wohl mit der Stadt meynte, ſein aͤuſſerſtes Mißfallen daran haben mußte.
Es kann mir alſo auch nicht als Lobſpruch gelten ſollen, wenn ich, obwohl als erſter Stadt- Verordneter gewaͤhlt, mich dieſer Ehre bedankte und mit einer Verſammlung nichts zu ſchaffen haben wollte, von deren gleich im erſten Beginnen kund- gegebenen Geſinnungen ich nichts, als Unheil fuͤr die Stadt erwarten konnte. Zwar fehlte es nicht an dringendem Zureden meiner Freunde, welche in der Meynung ſtanden, daß ich durch Ueber- nahme jenes Poſtens, wenn auch nicht Gutes ſonderlich zu foͤrdern, doch manches Boͤſe durch meinen Einfluß zu verhuͤten im Stande ſeyn wuͤr- de: allein das ganze Weſen, ſo wie es ſich da geſtaltet hatte, war mir ein Greuel, und ich lehnte es ſtandhaft ab, mich damit zu bemengen. Noch aͤrger ward das Ding, als nun demnaͤchſt zur Raths-Wahl ſelbſt geſchritten werden ſollte. Kabalen kreuzten ſich mit Kabalen; einige recht- liche Maͤnner, welche die geſetzliche Stimmen-
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tungen nicht ſogleich zu finden; die Raͤnkeſchmiede
und Selbſtlinge aber waren nur um deſto eifri-
ger darauf bedacht, ihr Schaͤfchen dabei zu ſchee-
ren und den blinden Unverſtand nach ihren ge-
heimen Abſichten zu bearbeiten. Als es daher
zur erſten Wahl der Stadt-Verordneten und ei-
nes neuen Magiſtrats kam, gieng es dabei ſo
ſtuͤrmiſch, unmoraliſch und ordnungswidrig zu,
daß ein jeder rechtſchaffner Mann, der es wohl
mit der Stadt meynte, ſein aͤuſſerſtes Mißfallen
daran haben mußte.
Es kann mir alſo auch nicht als Lobſpruch
gelten ſollen, wenn ich, obwohl als erſter Stadt-
Verordneter gewaͤhlt, mich dieſer Ehre bedankte und
mit einer Verſammlung nichts zu ſchaffen haben
wollte, von deren gleich im erſten Beginnen kund-
gegebenen Geſinnungen ich nichts, als Unheil fuͤr
die Stadt erwarten konnte. Zwar fehlte es nicht
an dringendem Zureden meiner Freunde, welche
in der Meynung ſtanden, daß ich durch Ueber-
nahme jenes Poſtens, wenn auch nicht Gutes
ſonderlich zu foͤrdern, doch manches Boͤſe durch
meinen Einfluß zu verhuͤten im Stande ſeyn wuͤr-
de: allein das ganze Weſen, ſo wie es ſich da
geſtaltet hatte, war mir ein Greuel, und ich
lehnte es ſtandhaft ab, mich damit zu bemengen.
Noch aͤrger ward das Ding, als nun demnaͤchſt
zur Raths-Wahl ſelbſt geſchritten werden ſollte.
Kabalen kreuzten ſich mit Kabalen; einige recht-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/206>, abgerufen am 21.07.2024.
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