die uns ehren und unsern gesunkenen Wohlstand stützen wollte.
Jndeß zeigten sich auch die trüben Wolken, welche am Horizont unsers friedlichen Bürger- lebens so drohend aufgestiegen waren, nur als eine vorübergehende Erscheinung. Es bedurfte nur, daß ein geringer Wechsel in Personen und Verhältnissen eintrat, um auch sofort einen an- dern und freundlicheren Geist hinauf zu beschwö- ren, der uns, die wir so Hartes mit einander ertragen hatten, auch bereitwilliger machte, uns mit einander zu vertragen. Eintracht, Achtung, Vertrauen und Liebe kehrten in die bisher entfremdeten Gemüther zurück; und wir lernten uns je mehr und mehr als Kinder Eines Vaterlandes betrachten, die ein Rock, so oder so gefärbt, nicht länger scheiden dürfe.
Schade nur, daß ich an diesem Lobe unsers zum Bessern erwachten Bürgersinns sofort wie- der Einiges kürzen muß, insofern er uns auch in unsern eigenen inneren Angelegenheiten billig hätte besser leiten und berathen sollen. Als nem- lich im Jahr 1809 durch die, in der Preussischen Monarchie eingeführte neue Städte-Ordnung überall die bisherige Magistrats-Verfassung ab- geschafft und den Bürgerschaften ein erweiterter Einfluß auf die Verwaltung der städtischen An- gelegenheiten zugestanden wurde, wußte sich, so wie an vielen andern Orten, so auch bei uns in Colberg, die Menge in die verbesserten Einrich-
die uns ehren und unſern geſunkenen Wohlſtand ſtuͤtzen wollte.
Jndeß zeigten ſich auch die truͤben Wolken, welche am Horizont unſers friedlichen Buͤrger- lebens ſo drohend aufgeſtiegen waren, nur als eine voruͤbergehende Erſcheinung. Es bedurfte nur, daß ein geringer Wechſel in Perſonen und Verhaͤltniſſen eintrat, um auch ſofort einen an- dern und freundlicheren Geiſt hinauf zu beſchwoͤ- ren, der uns, die wir ſo Hartes mit einander ertragen hatten, auch bereitwilliger machte, uns mit einander zu vertragen. Eintracht, Achtung, Vertrauen und Liebe kehrten in die bisher entfremdeten Gemuͤther zuruͤck; und wir lernten uns je mehr und mehr als Kinder Eines Vaterlandes betrachten, die ein Rock, ſo oder ſo gefaͤrbt, nicht laͤnger ſcheiden duͤrfe.
Schade nur, daß ich an dieſem Lobe unſers zum Beſſern erwachten Buͤrgerſinns ſofort wie- der Einiges kuͤrzen muß, inſofern er uns auch in unſern eigenen inneren Angelegenheiten billig haͤtte beſſer leiten und berathen ſollen. Als nem- lich im Jahr 1809 durch die, in der Preuſſiſchen Monarchie eingefuͤhrte neue Staͤdte-Ordnung uͤberall die bisherige Magiſtrats-Verfaſſung ab- geſchafft und den Buͤrgerſchaften ein erweiterter Einfluß auf die Verwaltung der ſtaͤdtiſchen An- gelegenheiten zugeſtanden wurde, wußte ſich, ſo wie an vielen andern Orten, ſo auch bei uns in Colberg, die Menge in die verbeſſerten Einrich-
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die uns ehren und unſern geſunkenen Wohlſtand
ſtuͤtzen wollte.
Jndeß zeigten ſich auch die truͤben Wolken,
welche am Horizont unſers friedlichen Buͤrger-
lebens ſo drohend aufgeſtiegen waren, nur als
eine voruͤbergehende Erſcheinung. Es bedurfte
nur, daß ein geringer Wechſel in Perſonen und
Verhaͤltniſſen eintrat, um auch ſofort einen an-
dern und freundlicheren Geiſt hinauf zu beſchwoͤ-
ren, der uns, die wir ſo Hartes mit einander
ertragen hatten, auch bereitwilliger machte,
uns mit einander zu vertragen. Eintracht,
Achtung, Vertrauen und Liebe kehrten in die
bisher entfremdeten Gemuͤther zuruͤck; und wir
lernten uns je mehr und mehr als Kinder Eines
Vaterlandes betrachten, die ein Rock, ſo oder ſo
gefaͤrbt, nicht laͤnger ſcheiden duͤrfe.
Schade nur, daß ich an dieſem Lobe unſers
zum Beſſern erwachten Buͤrgerſinns ſofort wie-
der Einiges kuͤrzen muß, inſofern er uns auch
in unſern eigenen inneren Angelegenheiten billig
haͤtte beſſer leiten und berathen ſollen. Als nem-
lich im Jahr 1809 durch die, in der Preuſſiſchen
Monarchie eingefuͤhrte neue Staͤdte-Ordnung
uͤberall die bisherige Magiſtrats-Verfaſſung ab-
geſchafft und den Buͤrgerſchaften ein erweiterter
Einfluß auf die Verwaltung der ſtaͤdtiſchen An-
gelegenheiten zugeſtanden wurde, wußte ſich, ſo
wie an vielen andern Orten, ſo auch bei uns in
Colberg, die Menge in die verbeſſerten Einrich-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/205>, abgerufen am 21.07.2024.
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