ten. Man könnte freilich sagen, wir Colberger seyen verwöhnt gewesen und hätten unsre Forde- rungen zu hoch gespannt: allein die Wahrheit lag hier, wie fast immer, in der Mitte, und es ward, mehr oder weniger, auf beiden Seiten ge- sündigt.
Colbergs militairische Wichtigkeit, zumal in jenem schwierigen Zeitverlauf, der auf den Frie- den von Tilsit folgte, war lebhaft anerkannt wor- den: aber ebendadurch fühlte sich auch die Besa- tzung des Platzes in ihrer Bedeutung gehoben und zu Ansprüchen von mancherlei Art berechtigt. Darüber, und weil dies bald einigen Widerstand erzeugte, hatte sich in allen Berührungen mit den bürgerlichen Behörden ein gewisser unfreund- licher Ton eingeschlichen, der immer schmerzlicher empfunden wurde. Es sollte Alles martialisch und gewaltig bei uns zugehen, als wenn es noch mitten im Kriege wäre; wogegen der Bürger nur durch die milden bürgerlichen Gesetze des Friedens beherrscht seyn und von ausserordentli- chem Kriegszwange nichts mehr wissen wollte. Die Lasten der Einquartierung, bei einer noch immer sehr starken Garnison, die an sich schon lästig genug waren, wurden es noch mehr da- durch, daß die Vertheilung derselben sich, unge- setzlich, in den Händen einer ausserordentlichen Commission befand, die von ränkesüchtigen Köpfen nach Gunst oder Ungunst geleitet ward. Böse Rathgeber der nemlichen Art belagerten das Ohr
ten. Man koͤnnte freilich ſagen, wir Colberger ſeyen verwoͤhnt geweſen und haͤtten unſre Forde- rungen zu hoch geſpannt: allein die Wahrheit lag hier, wie faſt immer, in der Mitte, und es ward, mehr oder weniger, auf beiden Seiten ge- ſuͤndigt.
Colbergs militairiſche Wichtigkeit, zumal in jenem ſchwierigen Zeitverlauf, der auf den Frie- den von Tilſit folgte, war lebhaft anerkannt wor- den: aber ebendadurch fuͤhlte ſich auch die Beſa- tzung des Platzes in ihrer Bedeutung gehoben und zu Anſpruͤchen von mancherlei Art berechtigt. Daruͤber, und weil dies bald einigen Widerſtand erzeugte, hatte ſich in allen Beruͤhrungen mit den buͤrgerlichen Behoͤrden ein gewiſſer unfreund- licher Ton eingeſchlichen, der immer ſchmerzlicher empfunden wurde. Es ſollte Alles martialiſch und gewaltig bei uns zugehen, als wenn es noch mitten im Kriege waͤre; wogegen der Buͤrger nur durch die milden buͤrgerlichen Geſetze des Friedens beherrſcht ſeyn und von auſſerordentli- chem Kriegszwange nichts mehr wiſſen wollte. Die Laſten der Einquartierung, bei einer noch immer ſehr ſtarken Garniſon, die an ſich ſchon laͤſtig genug waren, wurden es noch mehr da- durch, daß die Vertheilung derſelben ſich, unge- ſetzlich, in den Haͤnden einer auſſerordentlichen Commiſſion befand, die von raͤnkeſuͤchtigen Koͤpfen nach Gunſt oder Ungunſt geleitet ward. Boͤſe Rathgeber der nemlichen Art belagerten das Ohr
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ten. Man koͤnnte freilich ſagen, wir Colberger
ſeyen verwoͤhnt geweſen und haͤtten unſre Forde-
rungen zu hoch geſpannt: allein die Wahrheit
lag hier, wie faſt immer, in der Mitte, und es
ward, mehr oder weniger, auf beiden Seiten ge-
ſuͤndigt.
Colbergs militairiſche Wichtigkeit, zumal in
jenem ſchwierigen Zeitverlauf, der auf den Frie-
den von Tilſit folgte, war lebhaft anerkannt wor-
den: aber ebendadurch fuͤhlte ſich auch die Beſa-
tzung des Platzes in ihrer Bedeutung gehoben
und zu Anſpruͤchen von mancherlei Art berechtigt.
Daruͤber, und weil dies bald einigen Widerſtand
erzeugte, hatte ſich in allen Beruͤhrungen mit
den buͤrgerlichen Behoͤrden ein gewiſſer unfreund-
licher Ton eingeſchlichen, der immer ſchmerzlicher
empfunden wurde. Es ſollte Alles martialiſch
und gewaltig bei uns zugehen, als wenn es noch
mitten im Kriege waͤre; wogegen der Buͤrger
nur durch die milden buͤrgerlichen Geſetze des
Friedens beherrſcht ſeyn und von auſſerordentli-
chem Kriegszwange nichts mehr wiſſen wollte.
Die Laſten der Einquartierung, bei einer noch
immer ſehr ſtarken Garniſon, die an ſich ſchon
laͤſtig genug waren, wurden es noch mehr da-
durch, daß die Vertheilung derſelben ſich, unge-
ſetzlich, in den Haͤnden einer auſſerordentlichen
Commiſſion befand, die von raͤnkeſuͤchtigen Koͤpfen
nach Gunſt oder Ungunſt geleitet ward. Boͤſe
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/202>, abgerufen am 21.07.2024.
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