Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

und weinten schmerzliche Thränen, daß sie nun
nirgend eine bleibende Stätte fänden. Das schnitt
mir je länger, je tiefer durch's Herz; mir selber
giengen nunmehr die Augen vor Mitleid über,
und ich verfiel in ein tiefes Nachdenken, wie doch
diesen Unglücklichen, wenn auch nur vor der Hand,
zu helfen seyn möchte? Jndem ich aber über
einige verkohlte Balken und andre halb verbrannte
Trümmer, die mir im Wege lagen, dahinstol-
perte, fiel mir's plötzlich bei, daß sich eben davon
wohl einige Nothhütten würden errichten lassen,
um den armen Leuten, zumal jetzt in den Som-
mermonaten, einstweilen ein leidliches Obdach zu
verschaffen.

Voll von diesem Gedanken, machte ich mich
sogleich auf den Weg zu unserm Commandanten,
um ihm die Noth der Heimlosen, zusammt mei-
nem Einfall, vorzutragen, und die Erlaubniß
von ihm zu erbitten, daß sie sich auf den ver-
wüsteten Stellen nothdürftig ansiedeln könnten.
Jch langte an, und stieß unten im Hause auf
ein großes Gewühl von Menschen: denn der Com-
mandant hatte an diesem nemlichen Tage den
General Loison, zusammt seinem ganzen General-
Stabe, zu sich eingeladen; und eben saß die Ge-
sellschaft zur Tafel. Jndeß stieß mir doch unter
den Kommenden und Gehenden alsbald unser
Vice-Commandant, der Major v. S., auf, der
mich wegen meines etwannigen Anbringens be-
fragte. Obwohl nun gerade Er nicht allemal

und weinten ſchmerzliche Thraͤnen, daß ſie nun
nirgend eine bleibende Staͤtte faͤnden. Das ſchnitt
mir je laͤnger, je tiefer durch’s Herz; mir ſelber
giengen nunmehr die Augen vor Mitleid uͤber,
und ich verfiel in ein tiefes Nachdenken, wie doch
dieſen Ungluͤcklichen, wenn auch nur vor der Hand,
zu helfen ſeyn moͤchte? Jndem ich aber uͤber
einige verkohlte Balken und andre halb verbrannte
Truͤmmer, die mir im Wege lagen, dahinſtol-
perte, fiel mir’s ploͤtzlich bei, daß ſich eben davon
wohl einige Nothhuͤtten wuͤrden errichten laſſen,
um den armen Leuten, zumal jetzt in den Som-
mermonaten, einſtweilen ein leidliches Obdach zu
verſchaffen.

Voll von dieſem Gedanken, machte ich mich
ſogleich auf den Weg zu unſerm Commandanten,
um ihm die Noth der Heimloſen, zuſammt mei-
nem Einfall, vorzutragen, und die Erlaubniß
von ihm zu erbitten, daß ſie ſich auf den ver-
wuͤſteten Stellen nothduͤrftig anſiedeln koͤnnten.
Jch langte an, und ſtieß unten im Hauſe auf
ein großes Gewuͤhl von Menſchen: denn der Com-
mandant hatte an dieſem nemlichen Tage den
General Loiſon, zuſammt ſeinem ganzen General-
Stabe, zu ſich eingeladen; und eben ſaß die Ge-
ſellſchaft zur Tafel. Jndeß ſtieß mir doch unter
den Kommenden und Gehenden alsbald unſer
Vice-Commandant, der Major v. S., auf, der
mich wegen meines etwannigen Anbringens be-
fragte. Obwohl nun gerade Er nicht allemal

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0178" n="162"/>
und weinten &#x017F;chmerzliche Thra&#x0364;nen, daß &#x017F;ie nun<lb/>
nirgend eine bleibende Sta&#x0364;tte fa&#x0364;nden. Das &#x017F;chnitt<lb/>
mir je la&#x0364;nger, je tiefer durch&#x2019;s Herz; mir &#x017F;elber<lb/>
giengen nunmehr die Augen vor Mitleid u&#x0364;ber,<lb/>
und ich verfiel in ein tiefes Nachdenken, wie doch<lb/>
die&#x017F;en Unglu&#x0364;cklichen, wenn auch nur vor der Hand,<lb/>
zu helfen &#x017F;eyn mo&#x0364;chte? Jndem ich aber u&#x0364;ber<lb/>
einige verkohlte Balken und andre halb verbrannte<lb/>
Tru&#x0364;mmer, die mir im Wege lagen, dahin&#x017F;tol-<lb/>
perte, fiel mir&#x2019;s plo&#x0364;tzlich bei, daß &#x017F;ich eben davon<lb/>
wohl einige Nothhu&#x0364;tten wu&#x0364;rden errichten la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
um den armen Leuten, zumal jetzt in den Som-<lb/>
mermonaten, ein&#x017F;tweilen ein leidliches Obdach zu<lb/>
ver&#x017F;chaffen.</p><lb/>
        <p>Voll von die&#x017F;em Gedanken, machte ich mich<lb/>
&#x017F;ogleich auf den Weg zu un&#x017F;erm Commandanten,<lb/>
um ihm die Noth der Heimlo&#x017F;en, zu&#x017F;ammt mei-<lb/>
nem Einfall, vorzutragen, und die Erlaubniß<lb/>
von ihm zu erbitten, daß &#x017F;ie &#x017F;ich auf den ver-<lb/>
wu&#x0364;&#x017F;teten Stellen nothdu&#x0364;rftig an&#x017F;iedeln ko&#x0364;nnten.<lb/>
Jch langte an, und &#x017F;tieß unten im Hau&#x017F;e auf<lb/>
ein großes Gewu&#x0364;hl von Men&#x017F;chen: denn der Com-<lb/>
mandant hatte an die&#x017F;em nemlichen Tage den<lb/>
General Loi&#x017F;on, zu&#x017F;ammt &#x017F;einem ganzen General-<lb/>
Stabe, zu &#x017F;ich eingeladen; und eben &#x017F;aß die Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft zur Tafel. Jndeß &#x017F;tieß mir doch unter<lb/>
den Kommenden und Gehenden alsbald un&#x017F;er<lb/>
Vice-Commandant, der Major v. S., auf, der<lb/>
mich wegen meines etwannigen Anbringens be-<lb/>
fragte. Obwohl nun gerade Er nicht allemal<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0178] und weinten ſchmerzliche Thraͤnen, daß ſie nun nirgend eine bleibende Staͤtte faͤnden. Das ſchnitt mir je laͤnger, je tiefer durch’s Herz; mir ſelber giengen nunmehr die Augen vor Mitleid uͤber, und ich verfiel in ein tiefes Nachdenken, wie doch dieſen Ungluͤcklichen, wenn auch nur vor der Hand, zu helfen ſeyn moͤchte? Jndem ich aber uͤber einige verkohlte Balken und andre halb verbrannte Truͤmmer, die mir im Wege lagen, dahinſtol- perte, fiel mir’s ploͤtzlich bei, daß ſich eben davon wohl einige Nothhuͤtten wuͤrden errichten laſſen, um den armen Leuten, zumal jetzt in den Som- mermonaten, einſtweilen ein leidliches Obdach zu verſchaffen. Voll von dieſem Gedanken, machte ich mich ſogleich auf den Weg zu unſerm Commandanten, um ihm die Noth der Heimloſen, zuſammt mei- nem Einfall, vorzutragen, und die Erlaubniß von ihm zu erbitten, daß ſie ſich auf den ver- wuͤſteten Stellen nothduͤrftig anſiedeln koͤnnten. Jch langte an, und ſtieß unten im Hauſe auf ein großes Gewuͤhl von Menſchen: denn der Com- mandant hatte an dieſem nemlichen Tage den General Loiſon, zuſammt ſeinem ganzen General- Stabe, zu ſich eingeladen; und eben ſaß die Ge- ſellſchaft zur Tafel. Jndeß ſtieß mir doch unter den Kommenden und Gehenden alsbald unſer Vice-Commandant, der Major v. S., auf, der mich wegen meines etwannigen Anbringens be- fragte. Obwohl nun gerade Er nicht allemal

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/178
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/178>, abgerufen am 25.11.2024.