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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

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zu Stroh- und Heu-Magazinen ausgezeichnet,
bis sein Nachfolger, von einem bessern Geiste be-
seelt, das Gebäude sofort der öffentlichen Gottes-
verehrung zurückgab und jene gefährlichen Brenn-
stoffe am Glacis vor dem Münder-Thore in ab-
gesonderte Haufen aufschichten ließ. Nunmehr
aber war eine dringendere Nothwendigkeit einge-
treten, diesen weiten und luftigen Raum der täg-
lich wachsenden Zahl der Kranken und Verwun-
deten von der Garnison einzuräumen. Da nun
die Kirche vollgestopft von solchen Unglücklichen
lag, so mag man sich das Elend vorstellen, wel-
ches hier herrschte, indem die Kugeln durch alle
Theile des Gebäudes hindurchfuhren. Ein Flü-
gel desselben bewahrte nahe an hundert französi-
sche Kriegsgefangene auf: allein ihre Landsleute
nahmen hierauf, unsrer Hoffnung entgegen, keine
Rücksicht und beharrten auf ihrem Werke der
Zerstörung.

Jn der Nacht vom 27. auf den 28. Jun.
stand ich auf dem Walle an der Brustwehr des
Bastions Preussen und in einer Unterredung mit
dem Commandanten begriffen, als eine feindliche
Bombe kaum 15 oder 20 Schritt von uns nie-
derfuhr, in der Erde wühlte und brummte. Ha-
stig ergriff ich meinen Nachbar bei der Hand,
zog ihn etwas seitabwärts und rief: "Fort! fort!
Hier ist nicht gut seyn!" -- Gneisenau aber,
kaltblütig stehen bleibend, erwiederte: "Nicht doch,
die thut uns nichts!" -- Jn dem nemlichen Au-

zu Stroh- und Heu-Magazinen ausgezeichnet,
bis ſein Nachfolger, von einem beſſern Geiſte be-
ſeelt, das Gebaͤude ſofort der oͤffentlichen Gottes-
verehrung zuruͤckgab und jene gefaͤhrlichen Brenn-
ſtoffe am Glacis vor dem Muͤnder-Thore in ab-
geſonderte Haufen aufſchichten ließ. Nunmehr
aber war eine dringendere Nothwendigkeit einge-
treten, dieſen weiten und luftigen Raum der taͤg-
lich wachſenden Zahl der Kranken und Verwun-
deten von der Garniſon einzuraͤumen. Da nun
die Kirche vollgeſtopft von ſolchen Ungluͤcklichen
lag, ſo mag man ſich das Elend vorſtellen, wel-
ches hier herrſchte, indem die Kugeln durch alle
Theile des Gebaͤudes hindurchfuhren. Ein Fluͤ-
gel deſſelben bewahrte nahe an hundert franzoͤſi-
ſche Kriegsgefangene auf: allein ihre Landsleute
nahmen hierauf, unſrer Hoffnung entgegen, keine
Ruͤckſicht und beharrten auf ihrem Werke der
Zerſtoͤrung.

Jn der Nacht vom 27. auf den 28. Jun.
ſtand ich auf dem Walle an der Bruſtwehr des
Baſtions Preuſſen und in einer Unterredung mit
dem Commandanten begriffen, als eine feindliche
Bombe kaum 15 oder 20 Schritt von uns nie-
derfuhr, in der Erde wuͤhlte und brummte. Ha-
ſtig ergriff ich meinen Nachbar bei der Hand,
zog ihn etwas ſeitabwaͤrts und rief: „Fort! fort!
Hier iſt nicht gut ſeyn!‟ — Gneiſenau aber,
kaltbluͤtig ſtehen bleibend, erwiederte: „Nicht doch,
die thut uns nichts!‟ — Jn dem nemlichen Au-

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[141/0157] zu Stroh- und Heu-Magazinen ausgezeichnet, bis ſein Nachfolger, von einem beſſern Geiſte be- ſeelt, das Gebaͤude ſofort der oͤffentlichen Gottes- verehrung zuruͤckgab und jene gefaͤhrlichen Brenn- ſtoffe am Glacis vor dem Muͤnder-Thore in ab- geſonderte Haufen aufſchichten ließ. Nunmehr aber war eine dringendere Nothwendigkeit einge- treten, dieſen weiten und luftigen Raum der taͤg- lich wachſenden Zahl der Kranken und Verwun- deten von der Garniſon einzuraͤumen. Da nun die Kirche vollgeſtopft von ſolchen Ungluͤcklichen lag, ſo mag man ſich das Elend vorſtellen, wel- ches hier herrſchte, indem die Kugeln durch alle Theile des Gebaͤudes hindurchfuhren. Ein Fluͤ- gel deſſelben bewahrte nahe an hundert franzoͤſi- ſche Kriegsgefangene auf: allein ihre Landsleute nahmen hierauf, unſrer Hoffnung entgegen, keine Ruͤckſicht und beharrten auf ihrem Werke der Zerſtoͤrung. Jn der Nacht vom 27. auf den 28. Jun. ſtand ich auf dem Walle an der Bruſtwehr des Baſtions Preuſſen und in einer Unterredung mit dem Commandanten begriffen, als eine feindliche Bombe kaum 15 oder 20 Schritt von uns nie- derfuhr, in der Erde wuͤhlte und brummte. Ha- ſtig ergriff ich meinen Nachbar bei der Hand, zog ihn etwas ſeitabwaͤrts und rief: „Fort! fort! Hier iſt nicht gut ſeyn!‟ — Gneiſenau aber, kaltbluͤtig ſtehen bleibend, erwiederte: „Nicht doch, die thut uns nichts!‟ — Jn dem nemlichen Au-

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/157>, abgerufen am 24.11.2024.