in der Eile vergessen worden. Man weiß, wie schlecht wir selbst damit versehen waren; oder was wir etwa noch vorräthig hatten, paßte nicht zu dem Kaliber. Doch unsre Artilleristen mach- ten aus der Noth eine Tugend und wußten sich zu helfen. Wo die Schildzapfen für unsre Ge- stelle zu dünne waren, fütterten sie die Pfannen solange mit Lumpen und altem Hutfilz aus, bis die Röhre ein festes Lager fanden und mit eini- ger Sicherheit gerichtet werden konnten. Unsre Gegner aber blieben, den Wirkungen dieses Ge- schützes nach, weit entfernt, zu ahnen, wie küm- merlich es um dasselbe stände.
Noch hielt der Sturm, tosend und unter dem heftigsten Regen, an; die Nacht auf den 15. Junius ward finstrer, als sie in dieser Jahrszeit bei uns zu seyn pflegt: und alles Dies begünstigte ein Un- ternehmen, an welches, wie gewagt es auch schei- nen mochte, sich dennoch große Hoffnungen knüpf- ten. Es galt einen Ausfall, der uns die Wolfs- schanze zurückgeben sollte. Das Grenadier-Ba- taillon v. Waldenfels, welches sie sich hatte müs- sen nehmen lassen, wollte sie auch wieder gewin- nen; und der über Alles brave Befehlshaber des- selben, zu diesem nächtlichen Sturme vom Com- mandanten ausersehen, setzte sich mit hohem En- thusiasmus an die Spitze seiner Leute. Jhm von ferne nachzueifern, konnt' ich wohl nicht we- niger thun, als, nach gewohnter Weise, dem Bataillon mit ein paar Wagen zu folgen und
in der Eile vergeſſen worden. Man weiß, wie ſchlecht wir ſelbſt damit verſehen waren; oder was wir etwa noch vorraͤthig hatten, paßte nicht zu dem Kaliber. Doch unſre Artilleriſten mach- ten aus der Noth eine Tugend und wußten ſich zu helfen. Wo die Schildzapfen fuͤr unſre Ge- ſtelle zu duͤnne waren, fuͤtterten ſie die Pfannen ſolange mit Lumpen und altem Hutfilz aus, bis die Roͤhre ein feſtes Lager fanden und mit eini- ger Sicherheit gerichtet werden konnten. Unſre Gegner aber blieben, den Wirkungen dieſes Ge- ſchuͤtzes nach, weit entfernt, zu ahnen, wie kuͤm- merlich es um daſſelbe ſtaͤnde.
Noch hielt der Sturm, toſend und unter dem heftigſten Regen, an; die Nacht auf den 15. Junius ward finſtrer, als ſie in dieſer Jahrszeit bei uns zu ſeyn pflegt: und alles Dies beguͤnſtigte ein Un- ternehmen, an welches, wie gewagt es auch ſchei- nen mochte, ſich dennoch große Hoffnungen knuͤpf- ten. Es galt einen Ausfall, der uns die Wolfs- ſchanze zuruͤckgeben ſollte. Das Grenadier-Ba- taillon v. Waldenfels, welches ſie ſich hatte muͤſ- ſen nehmen laſſen, wollte ſie auch wieder gewin- nen; und der uͤber Alles brave Befehlshaber deſ- ſelben, zu dieſem naͤchtlichen Sturme vom Com- mandanten auserſehen, ſetzte ſich mit hohem En- thuſiasmus an die Spitze ſeiner Leute. Jhm von ferne nachzueifern, konnt’ ich wohl nicht we- niger thun, als, nach gewohnter Weiſe, dem Bataillon mit ein paar Wagen zu folgen und
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in der Eile vergeſſen worden. Man weiß, wie
ſchlecht wir ſelbſt damit verſehen waren; oder
was wir etwa noch vorraͤthig hatten, paßte nicht
zu dem Kaliber. Doch unſre Artilleriſten mach-
ten aus der Noth eine Tugend und wußten ſich
zu helfen. Wo die Schildzapfen fuͤr unſre Ge-
ſtelle zu duͤnne waren, fuͤtterten ſie die Pfannen
ſolange mit Lumpen und altem Hutfilz aus, bis
die Roͤhre ein feſtes Lager fanden und mit eini-
ger Sicherheit gerichtet werden konnten. Unſre
Gegner aber blieben, den Wirkungen dieſes Ge-
ſchuͤtzes nach, weit entfernt, zu ahnen, wie kuͤm-
merlich es um daſſelbe ſtaͤnde.
Noch hielt der Sturm, toſend und unter dem
heftigſten Regen, an; die Nacht auf den 15. Junius
ward finſtrer, als ſie in dieſer Jahrszeit bei uns zu
ſeyn pflegt: und alles Dies beguͤnſtigte ein Un-
ternehmen, an welches, wie gewagt es auch ſchei-
nen mochte, ſich dennoch große Hoffnungen knuͤpf-
ten. Es galt einen Ausfall, der uns die Wolfs-
ſchanze zuruͤckgeben ſollte. Das Grenadier-Ba-
taillon v. Waldenfels, welches ſie ſich hatte muͤſ-
ſen nehmen laſſen, wollte ſie auch wieder gewin-
nen; und der uͤber Alles brave Befehlshaber deſ-
ſelben, zu dieſem naͤchtlichen Sturme vom Com-
mandanten auserſehen, ſetzte ſich mit hohem En-
thuſiasmus an die Spitze ſeiner Leute. Jhm
von ferne nachzueifern, konnt’ ich wohl nicht we-
niger thun, als, nach gewohnter Weiſe, dem
Bataillon mit ein paar Wagen zu folgen und
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/149>, abgerufen am 16.07.2024.
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