sie sollten den Schändlichen, wie einen tollen Hund, niederstoßen; und erzürnte mich noch hef- tiger, als sie mir dies weigerten, weil sie ihm einmal Pardon gegeben. Jetzt wollte ich selbst ihm an's Leben, und griff hie und dort hin nach einem Bajonet, das mir aber mit Glimpf vor- enthalten wurde. Jch mußte es mit ansehen, daß man ihn lebendig zur Stadt brachte. Je unwerther er mir aber erschien, daß ihn die Erde trüge, desto eifriger waren nun auch meine Vor- stellungen bei dem Commandanten, dem Böse- wicht seinen verdienten Lohn am Galgen auszu- wirken, und ihn zu einem abschreckenden Beispiel für alle Seinesgleichen zu machen. Allein auch hier überwog das menschliche Gefühl die strenge Gerechtigkeit. Von einem mitleidigeren Gesichts- punkt ausgehend, begnügte sich sein edler Rich- ter, ihn zu Kettenstrafe und Aufbewahrung im Stockhause zu verurtheilen. Dort blieb er noch vier oder fünf Jahre gefangen; worauf man ihn laufen ließ; und noch diese Stunde bettelt er in der Gegend umher.
Je enger die Stadt seither eingeschlossen worden, um so weniger blieb auch der Cavallerie des Schillschen Corps der erforderliche Spiel- raum, sich mit der sonst gewohnten Thätigkeit zu tummeln. Loucadou, dem überhaupt das ganze Corps ein Dorn im Auge war, hatte schon frü- her auf die Entfernung jener Reiterei, nach Schill's Abzuge, gedrungen; und es war von
ſie ſollten den Schaͤndlichen, wie einen tollen Hund, niederſtoßen; und erzuͤrnte mich noch hef- tiger, als ſie mir dies weigerten, weil ſie ihm einmal Pardon gegeben. Jetzt wollte ich ſelbſt ihm an’s Leben, und griff hie und dort hin nach einem Bajonet, das mir aber mit Glimpf vor- enthalten wurde. Jch mußte es mit anſehen, daß man ihn lebendig zur Stadt brachte. Je unwerther er mir aber erſchien, daß ihn die Erde truͤge, deſto eifriger waren nun auch meine Vor- ſtellungen bei dem Commandanten, dem Boͤſe- wicht ſeinen verdienten Lohn am Galgen auszu- wirken, und ihn zu einem abſchreckenden Beiſpiel fuͤr alle Seinesgleichen zu machen. Allein auch hier uͤberwog das menſchliche Gefuͤhl die ſtrenge Gerechtigkeit. Von einem mitleidigeren Geſichts- punkt ausgehend, begnuͤgte ſich ſein edler Rich- ter, ihn zu Kettenſtrafe und Aufbewahrung im Stockhauſe zu verurtheilen. Dort blieb er noch vier oder fuͤnf Jahre gefangen; worauf man ihn laufen ließ; und noch dieſe Stunde bettelt er in der Gegend umher.
Je enger die Stadt ſeither eingeſchloſſen worden, um ſo weniger blieb auch der Cavallerie des Schillſchen Corps der erforderliche Spiel- raum, ſich mit der ſonſt gewohnten Thaͤtigkeit zu tummeln. Loucadou, dem uͤberhaupt das ganze Corps ein Dorn im Auge war, hatte ſchon fruͤ- her auf die Entfernung jener Reiterei, nach Schill’s Abzuge, gedrungen; und es war von
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ſie ſollten den Schaͤndlichen, wie einen tollen
Hund, niederſtoßen; und erzuͤrnte mich noch hef-
tiger, als ſie mir dies weigerten, weil ſie ihm
einmal Pardon gegeben. Jetzt wollte ich ſelbſt
ihm an’s Leben, und griff hie und dort hin nach
einem Bajonet, das mir aber mit Glimpf vor-
enthalten wurde. Jch mußte es mit anſehen,
daß man ihn lebendig zur Stadt brachte. Je
unwerther er mir aber erſchien, daß ihn die Erde
truͤge, deſto eifriger waren nun auch meine Vor-
ſtellungen bei dem Commandanten, dem Boͤſe-
wicht ſeinen verdienten Lohn am Galgen auszu-
wirken, und ihn zu einem abſchreckenden Beiſpiel
fuͤr alle Seinesgleichen zu machen. Allein auch
hier uͤberwog das menſchliche Gefuͤhl die ſtrenge
Gerechtigkeit. Von einem mitleidigeren Geſichts-
punkt ausgehend, begnuͤgte ſich ſein edler Rich-
ter, ihn zu Kettenſtrafe und Aufbewahrung im
Stockhauſe zu verurtheilen. Dort blieb er noch
vier oder fuͤnf Jahre gefangen; worauf man ihn
laufen ließ; und noch dieſe Stunde bettelt er in
der Gegend umher.
Je enger die Stadt ſeither eingeſchloſſen
worden, um ſo weniger blieb auch der Cavallerie
des Schillſchen Corps der erforderliche Spiel-
raum, ſich mit der ſonſt gewohnten Thaͤtigkeit zu
tummeln. Loucadou, dem uͤberhaupt das ganze
Corps ein Dorn im Auge war, hatte ſchon fruͤ-
her auf die Entfernung jener Reiterei, nach
Schill’s Abzuge, gedrungen; und es war von
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/126>, abgerufen am 16.07.2024.
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