hielt. Tag und Nacht lagen sie dort unter freiem Himmel, ohne je, wie Andre doch zuweilen, von ihrem Posten abgelöst zu werden und unter Dach und Fach zu kommen. An regelmäßige Löhnung war gar nicht -- und an Lieferung von ander- weitigen Unterhaltungs-Mitteln nur höchst selten zu denken. Gleichwohl zeigten sich diese Schill- schen Leute, in denen der Geist ihres Anführers lebte und wirkte, vom ersten Augenblick an, da sie sich in den Platz zurückgezogen, äusserst willig und brav. Bei jedem Trommelschlage waren sie -- oft nur mit Einem Schuh oder Strumpf an den Beinen -- die Ersten auf dem Sammelplatze; und diesen thätigen Eifer kann und darf ich nicht von einigen andern Truppen-Gattungen in glei- chem Maasse rühmen.
Um nun so brave Leute in ihrer Noth zu unterstützen, so weiß Gott, daß ich, an meinem Theil, gethan habe, was nur möglich war. Ein Tonnenkessel für Kartoffeln und andres Gemüse kam bei mir nie vom Feuer, und die bereitete Speise ward ihnen hinausgefahren. Oftmals habe ich den ganzen Fleischscharren und alle Bä- ckerladen auskaufen lassen; oftmals bin ich Haus bei Haus gegangen, und habe gebeten, daß für meine Schillschen Kinder in der Maikuhle zuge- kocht werden möchte. Jn der That betrachteten sie mich auch als ihren Vater und nannten mich ihren Brodt- und Trankspender; und wenn ich mich in der Nähe der Lagerposten zeigte, ward
hielt. Tag und Nacht lagen ſie dort unter freiem Himmel, ohne je, wie Andre doch zuweilen, von ihrem Poſten abgeloͤst zu werden und unter Dach und Fach zu kommen. An regelmaͤßige Loͤhnung war gar nicht — und an Lieferung von ander- weitigen Unterhaltungs-Mitteln nur hoͤchſt ſelten zu denken. Gleichwohl zeigten ſich dieſe Schill- ſchen Leute, in denen der Geiſt ihres Anfuͤhrers lebte und wirkte, vom erſten Augenblick an, da ſie ſich in den Platz zuruͤckgezogen, aͤuſſerſt willig und brav. Bei jedem Trommelſchlage waren ſie — oft nur mit Einem Schuh oder Strumpf an den Beinen — die Erſten auf dem Sammelplatze; und dieſen thaͤtigen Eifer kann und darf ich nicht von einigen andern Truppen-Gattungen in glei- chem Maaſſe ruͤhmen.
Um nun ſo brave Leute in ihrer Noth zu unterſtuͤtzen, ſo weiß Gott, daß ich, an meinem Theil, gethan habe, was nur moͤglich war. Ein Tonnenkeſſel fuͤr Kartoffeln und andres Gemuͤſe kam bei mir nie vom Feuer, und die bereitete Speiſe ward ihnen hinausgefahren. Oftmals habe ich den ganzen Fleiſchſcharren und alle Baͤ- ckerladen auskaufen laſſen; oftmals bin ich Haus bei Haus gegangen, und habe gebeten, daß fuͤr meine Schillſchen Kinder in der Maikuhle zuge- kocht werden moͤchte. Jn der That betrachteten ſie mich auch als ihren Vater und nannten mich ihren Brodt- und Trankſpender; und wenn ich mich in der Naͤhe der Lagerpoſten zeigte, ward
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hielt. Tag und Nacht lagen ſie dort unter freiem
Himmel, ohne je, wie Andre doch zuweilen, von
ihrem Poſten abgeloͤst zu werden und unter Dach
und Fach zu kommen. An regelmaͤßige Loͤhnung
war gar nicht — und an Lieferung von ander-
weitigen Unterhaltungs-Mitteln nur hoͤchſt ſelten
zu denken. Gleichwohl zeigten ſich dieſe Schill-
ſchen Leute, in denen der Geiſt ihres Anfuͤhrers
lebte und wirkte, vom erſten Augenblick an, da
ſie ſich in den Platz zuruͤckgezogen, aͤuſſerſt willig
und brav. Bei jedem Trommelſchlage waren ſie
— oft nur mit Einem Schuh oder Strumpf an
den Beinen — die Erſten auf dem Sammelplatze;
und dieſen thaͤtigen Eifer kann und darf ich nicht
von einigen andern Truppen-Gattungen in glei-
chem Maaſſe ruͤhmen.
Um nun ſo brave Leute in ihrer Noth zu
unterſtuͤtzen, ſo weiß Gott, daß ich, an meinem
Theil, gethan habe, was nur moͤglich war. Ein
Tonnenkeſſel fuͤr Kartoffeln und andres Gemuͤſe
kam bei mir nie vom Feuer, und die bereitete
Speiſe ward ihnen hinausgefahren. Oftmals
habe ich den ganzen Fleiſchſcharren und alle Baͤ-
ckerladen auskaufen laſſen; oftmals bin ich Haus
bei Haus gegangen, und habe gebeten, daß fuͤr
meine Schillſchen Kinder in der Maikuhle zuge-
kocht werden moͤchte. Jn der That betrachteten
ſie mich auch als ihren Vater und nannten mich
ihren Brodt- und Trankſpender; und wenn ich
mich in der Naͤhe der Lagerpoſten zeigte, ward
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/108>, abgerufen am 16.07.2024.
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