Bevor noch der Gouverneur seinen An- trag geendigt hatte, begann schon mein Ka- pitain, ihn unterbrechend, dagegen aus allen Kräften zu protestiren; wie sehr auch die übrigen Anwesenden bemüht waren, ihn da- von zurückzuhalten. Zuletzt wandte er sich ganz wüthend gegen mich und gebot mir: "Nettelbeck, Jhr verfügt Euch stehendes Fußes auf mein Schiff zurück, und verseht den Dienst am Bord. Jch will und befehl es!" -- Dem mußte allerdings gehorcht werden! Jch wandte mich ruhig um und gieng zum Saale hinaus.
Kaum war ich aus der Thüre, so hörte ich etwas hinter mir drein schreiten. Es war Einer von den tafelnden Kapitainen, der aufgesprungen war, mich hastig an der Hand ergriff, und mich fragte: "Jch bitte Euch um Alles -- Jhr heißt Nettelbeck?" -- Jch bejahete; und nun fuhr Jener noch an- gelegentlicher fort: "Und seyd Jhr ein Col- berger? Wohnt nicht Euer Vater dort am Markte? und habt Jhr nicht eine Schwester, die an Einem Fuße hinkt?" -- Jch bejahete wiederum, aber mit zunehmender Verwun- derung, theils über diese genaue Kenntniß meiner Familie, theils über die Absicht all dieser Fragen. -- "Nun denn;" setzte er, mit gleichem Feuer, hinzu -- "So müßt Jhr ja auch einen Bruder in Königsberg
Bevor noch der Gouverneur ſeinen An- trag geendigt hatte, begann ſchon mein Ka- pitain, ihn unterbrechend, dagegen aus allen Kraͤften zu proteſtiren; wie ſehr auch die uͤbrigen Anweſenden bemuͤht waren, ihn da- von zuruͤckzuhalten. Zuletzt wandte er ſich ganz wuͤthend gegen mich und gebot mir: „Nettelbeck, Jhr verfuͤgt Euch ſtehendes Fußes auf mein Schiff zuruͤck, und verſeht den Dienſt am Bord. Jch will und befehl es!‟ — Dem mußte allerdings gehorcht werden! Jch wandte mich ruhig um und gieng zum Saale hinaus.
Kaum war ich aus der Thuͤre, ſo hoͤrte ich etwas hinter mir drein ſchreiten. Es war Einer von den tafelnden Kapitainen, der aufgeſprungen war, mich haſtig an der Hand ergriff, und mich fragte: „Jch bitte Euch um Alles — Jhr heißt Nettelbeck?‟ — Jch bejahete; und nun fuhr Jener noch an- gelegentlicher fort: „Und ſeyd Jhr ein Col- berger? Wohnt nicht Euer Vater dort am Markte? und habt Jhr nicht eine Schweſter, die an Einem Fuße hinkt?‟ — Jch bejahete wiederum, aber mit zunehmender Verwun- derung, theils uͤber dieſe genaue Kenntniß meiner Familie, theils uͤber die Abſicht all dieſer Fragen. — „Nun denn;‟ ſetzte er, mit gleichem Feuer, hinzu — „So muͤßt Jhr ja auch einen Bruder in Koͤnigsberg
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Bevor noch der Gouverneur ſeinen An-
trag geendigt hatte, begann ſchon mein Ka-
pitain, ihn unterbrechend, dagegen aus allen
Kraͤften zu proteſtiren; wie ſehr auch die
uͤbrigen Anweſenden bemuͤht waren, ihn da-
von zuruͤckzuhalten. Zuletzt wandte er ſich
ganz wuͤthend gegen mich und gebot mir:
„Nettelbeck, Jhr verfuͤgt Euch ſtehendes
Fußes auf mein Schiff zuruͤck, und verſeht
den Dienſt am Bord. Jch will und befehl
es!‟ — Dem mußte allerdings gehorcht
werden! Jch wandte mich ruhig um und
gieng zum Saale hinaus.
Kaum war ich aus der Thuͤre, ſo hoͤrte
ich etwas hinter mir drein ſchreiten. Es
war Einer von den tafelnden Kapitainen, der
aufgeſprungen war, mich haſtig an der Hand
ergriff, und mich fragte: „Jch bitte Euch
um Alles — Jhr heißt Nettelbeck?‟ —
Jch bejahete; und nun fuhr Jener noch an-
gelegentlicher fort: „Und ſeyd Jhr ein Col-
berger? Wohnt nicht Euer Vater dort am
Markte? und habt Jhr nicht eine Schweſter,
die an Einem Fuße hinkt?‟ — Jch bejahete
wiederum, aber mit zunehmender Verwun-
derung, theils uͤber dieſe genaue Kenntniß
meiner Familie, theils uͤber die Abſicht all
dieſer Fragen. — „Nun denn;‟ ſetzte er,
mit gleichem Feuer, hinzu — „So muͤßt
Jhr ja auch einen Bruder in Koͤnigsberg
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/74>, abgerufen am 16.02.2025.
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