Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

Weisser am Borde blicken ließ, dagegen aber
wohl 20 bis 30 Neger auf dem Verdeck
herum standen und giengen. Vor Allem
zeichnete sich ein Kerl auf dem Hintertheil,
mit einem blauen Ueberrock bekleidet, durch
seine Keckheit aus, indem er ein kurzes
weitmündiges Schießgewehr (Wir nennen
es eine Donnerbüchse) in der Hand führte
und auf uns anlegte. Ein Andrer stand
vorne, mit einer weissen Weste ohne Ermel,
und lag mit seinem Gewehr ebenfalls im
Anschlage auf uns. Auch die Uebrigen
Alle, längs dem Borde, winkten mit den
Händen abwärts und schrieen aus vollem
Halse: Go way! Go way! (Packt euch!)

Was war natürlicher zu glauben, als
daß dies Schiff so eben in die Gewalt der
Schwarzen gerathen, welche die englische
Mannschaft ermordet hätten und im Be-
griffe ständen, ihre Beute auszuplündern.
Hier war es also nicht allerdings rathsam,
lange zu verweilen. Jch steuerte demnach
ab, gegen den Wind: doch indem ich mich
außer der Schußweite sah, fieng ich an zu
überlegen, daß es nicht gar ehrenvoll für
uns aussehen würde, die schwarzen Räuber
ihr Wesen so ganz ungestört treiben zu
lassen. Jch berieth mich mit meinen Leu-
ten, ob nicht ein entschloßner Angriff auf
die Brut zu wagen seyn möchte? Denn

Weiſſer am Borde blicken ließ, dagegen aber
wohl 20 bis 30 Neger auf dem Verdeck
herum ſtanden und giengen. Vor Allem
zeichnete ſich ein Kerl auf dem Hintertheil,
mit einem blauen Ueberrock bekleidet, durch
ſeine Keckheit aus, indem er ein kurzes
weitmuͤndiges Schießgewehr (Wir nennen
es eine Donnerbuͤchſe) in der Hand fuͤhrte
und auf uns anlegte. Ein Andrer ſtand
vorne, mit einer weiſſen Weſte ohne Ermel,
und lag mit ſeinem Gewehr ebenfalls im
Anſchlage auf uns. Auch die Uebrigen
Alle, laͤngs dem Borde, winkten mit den
Haͤnden abwaͤrts und ſchrieen aus vollem
Halſe: Go way! Go way! (Packt euch!)

Was war natuͤrlicher zu glauben, als
daß dies Schiff ſo eben in die Gewalt der
Schwarzen gerathen, welche die engliſche
Mannſchaft ermordet haͤtten und im Be-
griffe ſtaͤnden, ihre Beute auszupluͤndern.
Hier war es alſo nicht allerdings rathſam,
lange zu verweilen. Jch ſteuerte demnach
ab, gegen den Wind: doch indem ich mich
außer der Schußweite ſah, fieng ich an zu
uͤberlegen, daß es nicht gar ehrenvoll fuͤr
uns ausſehen wuͤrde, die ſchwarzen Raͤuber
ihr Weſen ſo ganz ungeſtoͤrt treiben zu
laſſen. Jch berieth mich mit meinen Leu-
ten, ob nicht ein entſchloßner Angriff auf
die Brut zu wagen ſeyn moͤchte? Denn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0064" n="60"/>
Wei&#x017F;&#x017F;er am Borde blicken ließ, dagegen aber<lb/>
wohl 20 bis 30 Neger auf dem Verdeck<lb/>
herum &#x017F;tanden und giengen. Vor Allem<lb/>
zeichnete &#x017F;ich ein Kerl auf dem Hintertheil,<lb/>
mit einem blauen Ueberrock bekleidet, durch<lb/>
&#x017F;eine Keckheit aus, indem er ein kurzes<lb/>
weitmu&#x0364;ndiges Schießgewehr (Wir nennen<lb/>
es eine Donnerbu&#x0364;ch&#x017F;e) in der Hand fu&#x0364;hrte<lb/>
und auf uns anlegte. Ein Andrer &#x017F;tand<lb/>
vorne, mit einer wei&#x017F;&#x017F;en We&#x017F;te ohne Ermel,<lb/>
und lag mit &#x017F;einem Gewehr ebenfalls im<lb/>
An&#x017F;chlage auf uns. Auch die Uebrigen<lb/>
Alle, la&#x0364;ngs dem Borde, winkten mit den<lb/>
Ha&#x0364;nden abwa&#x0364;rts und &#x017F;chrieen aus vollem<lb/>
Hal&#x017F;e: <hi rendition="#aq">Go way! Go way!</hi> (Packt euch!)</p><lb/>
        <p>Was war natu&#x0364;rlicher zu glauben, als<lb/>
daß dies Schiff &#x017F;o eben in die Gewalt der<lb/>
Schwarzen gerathen, welche die engli&#x017F;che<lb/>
Mann&#x017F;chaft ermordet ha&#x0364;tten und im Be-<lb/>
griffe &#x017F;ta&#x0364;nden, ihre Beute auszuplu&#x0364;ndern.<lb/>
Hier war es al&#x017F;o nicht allerdings rath&#x017F;am,<lb/>
lange zu verweilen. Jch &#x017F;teuerte demnach<lb/>
ab, gegen den Wind: doch indem ich mich<lb/>
außer der Schußweite &#x017F;ah, fieng ich an zu<lb/>
u&#x0364;berlegen, daß es nicht gar ehrenvoll fu&#x0364;r<lb/>
uns aus&#x017F;ehen wu&#x0364;rde, die &#x017F;chwarzen Ra&#x0364;uber<lb/>
ihr We&#x017F;en &#x017F;o ganz unge&#x017F;to&#x0364;rt treiben zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Jch berieth mich mit meinen Leu-<lb/>
ten, ob nicht ein ent&#x017F;chloßner Angriff auf<lb/>
die Brut zu wagen &#x017F;eyn mo&#x0364;chte? Denn<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0064] Weiſſer am Borde blicken ließ, dagegen aber wohl 20 bis 30 Neger auf dem Verdeck herum ſtanden und giengen. Vor Allem zeichnete ſich ein Kerl auf dem Hintertheil, mit einem blauen Ueberrock bekleidet, durch ſeine Keckheit aus, indem er ein kurzes weitmuͤndiges Schießgewehr (Wir nennen es eine Donnerbuͤchſe) in der Hand fuͤhrte und auf uns anlegte. Ein Andrer ſtand vorne, mit einer weiſſen Weſte ohne Ermel, und lag mit ſeinem Gewehr ebenfalls im Anſchlage auf uns. Auch die Uebrigen Alle, laͤngs dem Borde, winkten mit den Haͤnden abwaͤrts und ſchrieen aus vollem Halſe: Go way! Go way! (Packt euch!) Was war natuͤrlicher zu glauben, als daß dies Schiff ſo eben in die Gewalt der Schwarzen gerathen, welche die engliſche Mannſchaft ermordet haͤtten und im Be- griffe ſtaͤnden, ihre Beute auszupluͤndern. Hier war es alſo nicht allerdings rathſam, lange zu verweilen. Jch ſteuerte demnach ab, gegen den Wind: doch indem ich mich außer der Schußweite ſah, fieng ich an zu uͤberlegen, daß es nicht gar ehrenvoll fuͤr uns ausſehen wuͤrde, die ſchwarzen Raͤuber ihr Weſen ſo ganz ungeſtoͤrt treiben zu laſſen. Jch berieth mich mit meinen Leu- ten, ob nicht ein entſchloßner Angriff auf die Brut zu wagen ſeyn moͤchte? Denn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/64
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/64>, abgerufen am 22.11.2024.