Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

zusetzen. Haben sich endlich die Verkäufer
entfernt, so kämmt er sein struppiges Haar
mit einem engen Kamme wohl durch, und
bringt dadurch zuweilen zwei und noch mehr
Bontjes Goldstaub vom Kopfe. Niemand
rechnet sich diese Hinterlist zum Vorwurf.
Es heißt dann immer: "Nun, was ist's
mehr? Jst's doch nur ein Neger, der an-
geführt wird!"

Nachdem ich endlich eines Morgens
meine Fahrt wirklich angetreten hatte und
ich etwa drei Meilen vom Schiffe entfernt
war, kam mir noch an dem nemlichen Nach-
mittage ein kleines englisches Schiff zu Ge-
sichte, das ungewöhnlich nahe am Strande
vor Anker lag, während ein Theil der Se-
gel und des Takelwerks sich in größter Un-
ordnung befand und wild um die Masten
peitschte. Jndem ich meine Begleiter auf
diese in solcher Lage unbegreifliche Nachläs-
sigkeit aufmerksam machte, beschloß ich, mich
diesem Fahrzeuge zu nähern, ob ihm viel-
leicht Hülfe vonnöthen seyn möchte, die
wir ihm leisten könnten. Bald kam ich im
Heransegeln so dicht an seine Seite, daß ich
ihm die Frage zurufen konnte: "Warum er
sich in diese gefährliche Nähe an einem un-
sichern Strande gelegt habe?"

War ich bereits verwundert, so ward
ich es noch vielmehr, als sich kein einziger

zuſetzen. Haben ſich endlich die Verkaͤufer
entfernt, ſo kaͤmmt er ſein ſtruppiges Haar
mit einem engen Kamme wohl durch, und
bringt dadurch zuweilen zwei und noch mehr
Bontjes Goldſtaub vom Kopfe. Niemand
rechnet ſich dieſe Hinterliſt zum Vorwurf.
Es heißt dann immer: „Nun, was iſt’s
mehr? Jſt’s doch nur ein Neger, der an-
gefuͤhrt wird!‟

Nachdem ich endlich eines Morgens
meine Fahrt wirklich angetreten hatte und
ich etwa drei Meilen vom Schiffe entfernt
war, kam mir noch an dem nemlichen Nach-
mittage ein kleines engliſches Schiff zu Ge-
ſichte, das ungewoͤhnlich nahe am Strande
vor Anker lag, waͤhrend ein Theil der Se-
gel und des Takelwerks ſich in groͤßter Un-
ordnung befand und wild um die Maſten
peitſchte. Jndem ich meine Begleiter auf
dieſe in ſolcher Lage unbegreifliche Nachlaͤſ-
ſigkeit aufmerkſam machte, beſchloß ich, mich
dieſem Fahrzeuge zu naͤhern, ob ihm viel-
leicht Huͤlfe vonnoͤthen ſeyn moͤchte, die
wir ihm leiſten koͤnnten. Bald kam ich im
Heranſegeln ſo dicht an ſeine Seite, daß ich
ihm die Frage zurufen konnte: „Warum er
ſich in dieſe gefaͤhrliche Naͤhe an einem un-
ſichern Strande gelegt habe?‟

War ich bereits verwundert, ſo ward
ich es noch vielmehr, als ſich kein einziger

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0063" n="59"/>
zu&#x017F;etzen. Haben &#x017F;ich endlich die Verka&#x0364;ufer<lb/>
entfernt, &#x017F;o ka&#x0364;mmt er &#x017F;ein &#x017F;truppiges Haar<lb/>
mit einem engen Kamme wohl durch, und<lb/>
bringt dadurch zuweilen zwei und noch mehr<lb/>
Bontjes Gold&#x017F;taub vom Kopfe. Niemand<lb/>
rechnet &#x017F;ich die&#x017F;e Hinterli&#x017F;t zum Vorwurf.<lb/>
Es heißt dann immer: &#x201E;Nun, was i&#x017F;t&#x2019;s<lb/>
mehr? J&#x017F;t&#x2019;s doch nur ein Neger, der an-<lb/>
gefu&#x0364;hrt wird!&#x201F;</p><lb/>
        <p>Nachdem ich endlich eines Morgens<lb/>
meine Fahrt wirklich angetreten hatte und<lb/>
ich etwa drei Meilen vom Schiffe entfernt<lb/>
war, kam mir noch an dem nemlichen Nach-<lb/>
mittage ein kleines engli&#x017F;ches Schiff zu Ge-<lb/>
&#x017F;ichte, das ungewo&#x0364;hnlich nahe am Strande<lb/>
vor Anker lag, wa&#x0364;hrend ein Theil der Se-<lb/>
gel und des Takelwerks &#x017F;ich in gro&#x0364;ßter Un-<lb/>
ordnung befand und wild um die Ma&#x017F;ten<lb/>
peit&#x017F;chte. Jndem ich meine Begleiter auf<lb/>
die&#x017F;e in &#x017F;olcher Lage unbegreifliche Nachla&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;igkeit aufmerk&#x017F;am machte, be&#x017F;chloß ich, mich<lb/>
die&#x017F;em Fahrzeuge zu na&#x0364;hern, ob ihm viel-<lb/>
leicht Hu&#x0364;lfe vonno&#x0364;then &#x017F;eyn mo&#x0364;chte, die<lb/>
wir ihm lei&#x017F;ten ko&#x0364;nnten. Bald kam ich im<lb/>
Heran&#x017F;egeln &#x017F;o dicht an &#x017F;eine Seite, daß ich<lb/>
ihm die Frage zurufen konnte: &#x201E;Warum er<lb/>
&#x017F;ich in die&#x017F;e gefa&#x0364;hrliche Na&#x0364;he an einem un-<lb/>
&#x017F;ichern Strande gelegt habe?&#x201F;</p><lb/>
        <p>War ich bereits verwundert, &#x017F;o ward<lb/>
ich es noch vielmehr, als &#x017F;ich kein einziger<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0063] zuſetzen. Haben ſich endlich die Verkaͤufer entfernt, ſo kaͤmmt er ſein ſtruppiges Haar mit einem engen Kamme wohl durch, und bringt dadurch zuweilen zwei und noch mehr Bontjes Goldſtaub vom Kopfe. Niemand rechnet ſich dieſe Hinterliſt zum Vorwurf. Es heißt dann immer: „Nun, was iſt’s mehr? Jſt’s doch nur ein Neger, der an- gefuͤhrt wird!‟ Nachdem ich endlich eines Morgens meine Fahrt wirklich angetreten hatte und ich etwa drei Meilen vom Schiffe entfernt war, kam mir noch an dem nemlichen Nach- mittage ein kleines engliſches Schiff zu Ge- ſichte, das ungewoͤhnlich nahe am Strande vor Anker lag, waͤhrend ein Theil der Se- gel und des Takelwerks ſich in groͤßter Un- ordnung befand und wild um die Maſten peitſchte. Jndem ich meine Begleiter auf dieſe in ſolcher Lage unbegreifliche Nachlaͤſ- ſigkeit aufmerkſam machte, beſchloß ich, mich dieſem Fahrzeuge zu naͤhern, ob ihm viel- leicht Huͤlfe vonnoͤthen ſeyn moͤchte, die wir ihm leiſten koͤnnten. Bald kam ich im Heranſegeln ſo dicht an ſeine Seite, daß ich ihm die Frage zurufen konnte: „Warum er ſich in dieſe gefaͤhrliche Naͤhe an einem un- ſichern Strande gelegt habe?‟ War ich bereits verwundert, ſo ward ich es noch vielmehr, als ſich kein einziger

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/63
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/63>, abgerufen am 25.11.2024.