Wir klagten dem Kapitain unser Elend und baten um Abhülfe; erhielten aber den schlechten Trost, daß es ihm selbst an frischem Wasser fehle: doch wolle er unserm drin- gendsten Bedürfniß abhelfen; und so schickte er uns wirklich ein Fäßchen, das vielleicht ein halb Anker halten mochte, herüber.
Mit einer Begierde, die keine Beschrei- bung zuläßt, setzte ich sofort das Gefäß an den Mund; und sowohl ward mir dabei, daß ich fortgetrunken haben würde, bis ich auf der Stelle den Tod davon gehabt, wenn meine Leute, eben so ungeduldig nach dem Genuß dieses Labsals, es mir nicht von den durstigen Lippen weggerissen hätten. Als nun aber auch Einer nach dem Andern sich gütlich gethan, war das Wasser schier alle geworden. Die Leute, welche es uns in ihrer Schaluppe gebracht hatten und Zeugen von diesem Auftritte waren, konnten des Erstaunens über unsre ausgedörrten Kehlen und unser Elend kein Ende finden Um so williger erfüllten sie meine Bitte, ihren Ka- pitain in meinem Namen um noch einigen Vorrath anzugehen. Jhre Verwendung war auch nicht ohne Erfolg; und es ward uns ein ähnliches halbes Ankerfäßchen zugestanden.
Solchergestalt versehen, gönnten wir uns eine neue Erquickung, indem wir uns also-
11. Bändchen. (4)
Wir klagten dem Kapitain unſer Elend und baten um Abhuͤlfe; erhielten aber den ſchlechten Troſt, daß es ihm ſelbſt an friſchem Waſſer fehle: doch wolle er unſerm drin- gendſten Beduͤrfniß abhelfen; und ſo ſchickte er uns wirklich ein Faͤßchen, das vielleicht ein halb Anker halten mochte, heruͤber.
Mit einer Begierde, die keine Beſchrei- bung zulaͤßt, ſetzte ich ſofort das Gefaͤß an den Mund; und ſowohl ward mir dabei, daß ich fortgetrunken haben wuͤrde, bis ich auf der Stelle den Tod davon gehabt, wenn meine Leute, eben ſo ungeduldig nach dem Genuß dieſes Labſals, es mir nicht von den durſtigen Lippen weggeriſſen haͤtten. Als nun aber auch Einer nach dem Andern ſich guͤtlich gethan, war das Waſſer ſchier alle geworden. Die Leute, welche es uns in ihrer Schaluppe gebracht hatten und Zeugen von dieſem Auftritte waren, konnten des Erſtaunens uͤber unſre ausgedoͤrrten Kehlen und unſer Elend kein Ende finden Um ſo williger erfuͤllten ſie meine Bitte, ihren Ka- pitain in meinem Namen um noch einigen Vorrath anzugehen. Jhre Verwendung war auch nicht ohne Erfolg; und es ward uns ein aͤhnliches halbes Ankerfaͤßchen zugeſtanden.
Solchergeſtalt verſehen, goͤnnten wir uns eine neue Erquickung, indem wir uns alſo-
11. Bändchen. (4)
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Wir klagten dem Kapitain unſer Elend
und baten um Abhuͤlfe; erhielten aber den
ſchlechten Troſt, daß es ihm ſelbſt an friſchem
Waſſer fehle: doch wolle er unſerm drin-
gendſten Beduͤrfniß abhelfen; und ſo ſchickte
er uns wirklich ein Faͤßchen, das vielleicht
ein halb Anker halten mochte, heruͤber.
Mit einer Begierde, die keine Beſchrei-
bung zulaͤßt, ſetzte ich ſofort das Gefaͤß an
den Mund; und ſowohl ward mir dabei,
daß ich fortgetrunken haben wuͤrde, bis ich
auf der Stelle den Tod davon gehabt, wenn
meine Leute, eben ſo ungeduldig nach dem
Genuß dieſes Labſals, es mir nicht von den
durſtigen Lippen weggeriſſen haͤtten. Als
nun aber auch Einer nach dem Andern ſich
guͤtlich gethan, war das Waſſer ſchier alle
geworden. Die Leute, welche es uns in
ihrer Schaluppe gebracht hatten und Zeugen
von dieſem Auftritte waren, konnten des
Erſtaunens uͤber unſre ausgedoͤrrten Kehlen
und unſer Elend kein Ende finden Um ſo
williger erfuͤllten ſie meine Bitte, ihren Ka-
pitain in meinem Namen um noch einigen
Vorrath anzugehen. Jhre Verwendung war
auch nicht ohne Erfolg; und es ward
uns ein aͤhnliches halbes Ankerfaͤßchen
zugeſtanden.
Solchergeſtalt verſehen, goͤnnten wir uns
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/53>, abgerufen am 24.07.2024.
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