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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

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noch leidlich gut aus einem Abentheuer davon,
das mir und Allen im Boote den elendesten
Tod hätte bringen können, wenn ich nur
noch eine einzige Minute gezögert hätte, auf
meinen Rückweg zu denken. Was aber nun
mit unserm neuen Boots-Kameraden begin-
nen? -- Wär' es auch nach den holländi-
schen Gesetzen nicht bei Lebensstrafe verboten,
öffentlichen oder heimlichen Menschenraub zu
begehen, so hätt' ich mich doch nimmermehr
entschliessen können, sein Zutrauen so schänd-
lich zu mißbrauchen und mich für den ver-
fehlten Handel an seine schwarze Haut zu hal-
ten. Nachdem ich also noch etwa eine halbe
Meile längs dem Strande gesegelt war, gab
ich ihm seinen Freipaß und ließ ihn wieder
nach dem Lande schwimmen, wo der arme
Teufel hoffentlich in Sicherheit gelangte.

Doch ehe ich selbst noch ganz ausserhalb
des Bereichs unsrer Widersacher kam, be-
merkte ich mit Verwunderung, daß das Boot
weder gehörig steuern, noch so rasch von der
Stelle wollte, als es nach Maaßgabe seiner
Beseglung gesollt hätte. Jn der Meinung,
daß sich irgend einiges Kraut oder Strauch-
werk am Kiel verfangen und das Steuerru-
der behindert habe, lehnte ich mich, soweit
möglich, über Bord, um die Seiten und den
Boden des Fahrzeugs unterhalb Wassers zu
untersuchen. Da fand ich denn, daß sich

noch leidlich gut aus einem Abentheuer davon,
das mir und Allen im Boote den elendeſten
Tod haͤtte bringen koͤnnen, wenn ich nur
noch eine einzige Minute gezoͤgert haͤtte, auf
meinen Ruͤckweg zu denken. Was aber nun
mit unſerm neuen Boots-Kameraden begin-
nen? — Waͤr’ es auch nach den hollaͤndi-
ſchen Geſetzen nicht bei Lebensſtrafe verboten,
oͤffentlichen oder heimlichen Menſchenraub zu
begehen, ſo haͤtt’ ich mich doch nimmermehr
entſchlieſſen koͤnnen, ſein Zutrauen ſo ſchaͤnd-
lich zu mißbrauchen und mich fuͤr den ver-
fehlten Handel an ſeine ſchwarze Haut zu hal-
ten. Nachdem ich alſo noch etwa eine halbe
Meile laͤngs dem Strande geſegelt war, gab
ich ihm ſeinen Freipaß und ließ ihn wieder
nach dem Lande ſchwimmen, wo der arme
Teufel hoffentlich in Sicherheit gelangte.

Doch ehe ich ſelbſt noch ganz auſſerhalb
des Bereichs unſrer Widerſacher kam, be-
merkte ich mit Verwunderung, daß das Boot
weder gehoͤrig ſteuern, noch ſo raſch von der
Stelle wollte, als es nach Maaßgabe ſeiner
Beſeglung geſollt haͤtte. Jn der Meinung,
daß ſich irgend einiges Kraut oder Strauch-
werk am Kiel verfangen und das Steuerru-
der behindert habe, lehnte ich mich, ſoweit
moͤglich, uͤber Bord, um die Seiten und den
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[46/0050] noch leidlich gut aus einem Abentheuer davon, das mir und Allen im Boote den elendeſten Tod haͤtte bringen koͤnnen, wenn ich nur noch eine einzige Minute gezoͤgert haͤtte, auf meinen Ruͤckweg zu denken. Was aber nun mit unſerm neuen Boots-Kameraden begin- nen? — Waͤr’ es auch nach den hollaͤndi- ſchen Geſetzen nicht bei Lebensſtrafe verboten, oͤffentlichen oder heimlichen Menſchenraub zu begehen, ſo haͤtt’ ich mich doch nimmermehr entſchlieſſen koͤnnen, ſein Zutrauen ſo ſchaͤnd- lich zu mißbrauchen und mich fuͤr den ver- fehlten Handel an ſeine ſchwarze Haut zu hal- ten. Nachdem ich alſo noch etwa eine halbe Meile laͤngs dem Strande geſegelt war, gab ich ihm ſeinen Freipaß und ließ ihn wieder nach dem Lande ſchwimmen, wo der arme Teufel hoffentlich in Sicherheit gelangte. Doch ehe ich ſelbſt noch ganz auſſerhalb des Bereichs unſrer Widerſacher kam, be- merkte ich mit Verwunderung, daß das Boot weder gehoͤrig ſteuern, noch ſo raſch von der Stelle wollte, als es nach Maaßgabe ſeiner Beſeglung geſollt haͤtte. Jn der Meinung, daß ſich irgend einiges Kraut oder Strauch- werk am Kiel verfangen und das Steuerru- der behindert habe, lehnte ich mich, ſoweit moͤglich, uͤber Bord, um die Seiten und den Boden des Fahrzeugs unterhalb Waſſers zu unterſuchen. Da fand ich denn, daß ſich

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/50>, abgerufen am 24.11.2024.