nachdrücklichste vor, daß, wenn sie dies kleine Wagniß so sehr scheuten, wir ja doch, ohne Barmherzigkeit, Alle ersaufen müßten. Jch bat, ich flehte; ich schalt und drohte: aber die feigen Seelen sahen mich verdutzt an und blieben bei ihrem Kopfschütteln.
"Nun denn!" sagt' ich endlich, im innern Jngrimm -- "So will ich selbst der Mann seyn, der sein Leben für euch H ... r in die Schanze schlägt!" -- Dieser Entschluß ent- stand auch um so weniger aus Prahlerei, da ich, als junger Bursche, mit meinen Spiel- kameraden das Schwimmen und Untertauchen fleissig geübt hatte, und oftmals unter dem Wasser geblieben war, bis die Beistehenden langsam Dreissig zählten. Hoffentlich hatt' ich diese kleine Kunst in den drei Dutzend Jahren nicht ganz wieder verlernt; und sollt' ich denn doch ertrinken, so konnte mir die Art und Weise wohl ziemlich gleich gelten.
So nahm ich also getrost meinen Platz auf dem Bootsanker, dessen Tau meine Leute oben in die Hände fassen und mich daran in die bezeichnete Tiefe hinablassen mußten. Nach meiner Anweisung sollten sie, von dem Au- genblick an, wo ich mit dem Munde unter Wasser käme, secundenmäßig zu zählen an- fangen und mich, wenn sie bis 25 gekommen wären, hurtig wieder emporziehen. Jch, meines Theils, hastete mich, soviel ich ver-
nachdruͤcklichſte vor, daß, wenn ſie dies kleine Wagniß ſo ſehr ſcheuten, wir ja doch, ohne Barmherzigkeit, Alle erſaufen muͤßten. Jch bat, ich flehte; ich ſchalt und drohte: aber die feigen Seelen ſahen mich verdutzt an und blieben bei ihrem Kopfſchuͤtteln.
„Nun denn!‟ ſagt’ ich endlich, im innern Jngrimm — „So will ich ſelbſt der Mann ſeyn, der ſein Leben fuͤr euch H … r in die Schanze ſchlaͤgt!‟ — Dieſer Entſchluß ent- ſtand auch um ſo weniger aus Prahlerei, da ich, als junger Burſche, mit meinen Spiel- kameraden das Schwimmen und Untertauchen fleiſſig geuͤbt hatte, und oftmals unter dem Waſſer geblieben war, bis die Beiſtehenden langſam Dreiſſig zaͤhlten. Hoffentlich hatt’ ich dieſe kleine Kunſt in den drei Dutzend Jahren nicht ganz wieder verlernt; und ſollt’ ich denn doch ertrinken, ſo konnte mir die Art und Weiſe wohl ziemlich gleich gelten.
So nahm ich alſo getroſt meinen Platz auf dem Bootsanker, deſſen Tau meine Leute oben in die Haͤnde faſſen und mich daran in die bezeichnete Tiefe hinablaſſen mußten. Nach meiner Anweiſung ſollten ſie, von dem Au- genblick an, wo ich mit dem Munde unter Waſſer kaͤme, ſecundenmaͤßig zu zaͤhlen an- fangen und mich, wenn ſie bis 25 gekommen waͤren, hurtig wieder emporziehen. Jch, meines Theils, haſtete mich, ſoviel ich ver-
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nachdruͤcklichſte vor, daß, wenn ſie dies kleine
Wagniß ſo ſehr ſcheuten, wir ja doch, ohne
Barmherzigkeit, Alle erſaufen muͤßten. Jch
bat, ich flehte; ich ſchalt und drohte: aber
die feigen Seelen ſahen mich verdutzt an
und blieben bei ihrem Kopfſchuͤtteln.
„Nun denn!‟ ſagt’ ich endlich, im innern
Jngrimm — „So will ich ſelbſt der Mann
ſeyn, der ſein Leben fuͤr euch H … r in die
Schanze ſchlaͤgt!‟ — Dieſer Entſchluß ent-
ſtand auch um ſo weniger aus Prahlerei, da
ich, als junger Burſche, mit meinen Spiel-
kameraden das Schwimmen und Untertauchen
fleiſſig geuͤbt hatte, und oftmals unter dem
Waſſer geblieben war, bis die Beiſtehenden
langſam Dreiſſig zaͤhlten. Hoffentlich hatt’
ich dieſe kleine Kunſt in den drei Dutzend
Jahren nicht ganz wieder verlernt; und
ſollt’ ich denn doch ertrinken, ſo konnte mir
die Art und Weiſe wohl ziemlich gleich gelten.
So nahm ich alſo getroſt meinen Platz
auf dem Bootsanker, deſſen Tau meine Leute
oben in die Haͤnde faſſen und mich daran in
die bezeichnete Tiefe hinablaſſen mußten. Nach
meiner Anweiſung ſollten ſie, von dem Au-
genblick an, wo ich mit dem Munde unter
Waſſer kaͤme, ſecundenmaͤßig zu zaͤhlen an-
fangen und mich, wenn ſie bis 25 gekommen
waͤren, hurtig wieder emporziehen. Jch,
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/259>, abgerufen am 16.02.2025.
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