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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

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hier erblickte und uns vielleicht ein böses
Spiel bereitete.

Doch in dem nemlichen Augenblick führte
unser Unstern einen liederlichen Gassenbuben
herbei, der unsern Mangel an Andacht wahr-
genommen haben mochte, und sofort mit
Halloh und Geschrei hinter uns drein lief,
Steine aus dem Pflaster aufriß und uns mit
Würfen verfolgte. Gleich in der nächsten
Minute hatte sich ein ganzer Menschenschwarm
gesammlet, der auf uns einstürmte, uns mit
Unflath bewarf und aus vollem Halse den
Ausruf "Ketzer! Ketzer!" hinter uns her er-
tönen ließ. Glücklicher Weise konnten wir
um eine Straßenecke, und dann wieder um
eine Ecke einbeugen, wodurch wir dem rasen-
den Pöbel aus dem Gesichte kamen. Zu
noch besserer Sicherheit traten wir in einen,
uns eben aufstoßenden Gewürzladen, wo ich
eine Kleinigkeit kaufte und den aufgeregten
Sturm vollends vorüberziehen ließ.

Alles dies vermehrte meinen Wunsch,
diesen Hafen je eher je lieber wieder zu ver-
lassen. Auch fand ich binnen kurzem eine
anderweitige Ladung, aus Zucker, Kaffee,
Wein u. s. w. bestehend, die auf Hamburg
bestimmt war, und mit deren Einnehmung
ich mich sofort auf's fleissigste beschäftigte.
Hier aber traf mich alsobald ein Verdruß an-
drer Art, der mich um all meine gute Laune

zu

hier erblickte und uns vielleicht ein boͤſes
Spiel bereitete.

Doch in dem nemlichen Augenblick fuͤhrte
unſer Unſtern einen liederlichen Gaſſenbuben
herbei, der unſern Mangel an Andacht wahr-
genommen haben mochte, und ſofort mit
Halloh und Geſchrei hinter uns drein lief,
Steine aus dem Pflaſter aufriß und uns mit
Wuͤrfen verfolgte. Gleich in der naͤchſten
Minute hatte ſich ein ganzer Menſchenſchwarm
geſammlet, der auf uns einſtuͤrmte, uns mit
Unflath bewarf und aus vollem Halſe den
Ausruf „Ketzer! Ketzer!‟ hinter uns her er-
toͤnen ließ. Gluͤcklicher Weiſe konnten wir
um eine Straßenecke, und dann wieder um
eine Ecke einbeugen, wodurch wir dem raſen-
den Poͤbel aus dem Geſichte kamen. Zu
noch beſſerer Sicherheit traten wir in einen,
uns eben aufſtoßenden Gewuͤrzladen, wo ich
eine Kleinigkeit kaufte und den aufgeregten
Sturm vollends voruͤberziehen ließ.

Alles dies vermehrte meinen Wunſch,
dieſen Hafen je eher je lieber wieder zu ver-
laſſen. Auch fand ich binnen kurzem eine
anderweitige Ladung, aus Zucker, Kaffee,
Wein u. ſ. w. beſtehend, die auf Hamburg
beſtimmt war, und mit deren Einnehmung
ich mich ſofort auf’s fleiſſigſte beſchaͤftigte.
Hier aber traf mich alſobald ein Verdruß an-
drer Art, der mich um all meine gute Laune

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[208/0212] hier erblickte und uns vielleicht ein boͤſes Spiel bereitete. Doch in dem nemlichen Augenblick fuͤhrte unſer Unſtern einen liederlichen Gaſſenbuben herbei, der unſern Mangel an Andacht wahr- genommen haben mochte, und ſofort mit Halloh und Geſchrei hinter uns drein lief, Steine aus dem Pflaſter aufriß und uns mit Wuͤrfen verfolgte. Gleich in der naͤchſten Minute hatte ſich ein ganzer Menſchenſchwarm geſammlet, der auf uns einſtuͤrmte, uns mit Unflath bewarf und aus vollem Halſe den Ausruf „Ketzer! Ketzer!‟ hinter uns her er- toͤnen ließ. Gluͤcklicher Weiſe konnten wir um eine Straßenecke, und dann wieder um eine Ecke einbeugen, wodurch wir dem raſen- den Poͤbel aus dem Geſichte kamen. Zu noch beſſerer Sicherheit traten wir in einen, uns eben aufſtoßenden Gewuͤrzladen, wo ich eine Kleinigkeit kaufte und den aufgeregten Sturm vollends voruͤberziehen ließ. Alles dies vermehrte meinen Wunſch, dieſen Hafen je eher je lieber wieder zu ver- laſſen. Auch fand ich binnen kurzem eine anderweitige Ladung, aus Zucker, Kaffee, Wein u. ſ. w. beſtehend, die auf Hamburg beſtimmt war, und mit deren Einnehmung ich mich ſofort auf’s fleiſſigſte beſchaͤftigte. Hier aber traf mich alſobald ein Verdruß an- drer Art, der mich um all meine gute Laune zu

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/212>, abgerufen am 27.11.2024.