vor Augen zu legen und dadurch, zu ihrer Aller Beschämung, aber auch desto höherer Verwunderung, meine Wahrheitsliebe zu recht- fertigen.
Bald darauf kam ich an's Ausladen mei- ner eingenommenen Güter; und nachdem ich des Theers ledig geworden, traf nunmehr die Reihe meinen bedeutenden Käse-Vorrath. Hierbei aber mischte sich die Hafen-Polizei von Lissabon auf eine, mir unbegreifliche Weise in's Spiel, indem sich zwei portugie- sische Barken, deren Eine mit Militair be- setzt war, mir zu beiden Seiten legten. Der Käse ward, Stück für Stück, aus dem Raume hervorgelangt, aber auch von den bestellten Aufsehern sorgfältig untersucht, befühlt und berochen, ob sich nicht irgendwo eine faule oder verdächtige Stelle zeigte. Jedes der Art warf man sofort in die be- waffnete Barke; und als ich, erstaunt, nach der Ursache eines so wunderlichen Verfah- rens forschte, ward mir der Bescheid: Kein Käse, der einen angekommenen oder gedrück- ten Fleck an sich habe, werde, als der Ge- sundheit hoch nachtheilig, im Lande zugelassen, sondern sofort in's Wasser geworfen. Ver- gebens erwiederte ich, daß in aller übrigen Welt gerade der angefaulte Käse seine beson- dern und häufigen Liebhaber finde: denn man meynte, dazu gehöre auch ein ketzerischer
vor Augen zu legen und dadurch, zu ihrer Aller Beſchaͤmung, aber auch deſto hoͤherer Verwunderung, meine Wahrheitsliebe zu recht- fertigen.
Bald darauf kam ich an’s Ausladen mei- ner eingenommenen Guͤter; und nachdem ich des Theers ledig geworden, traf nunmehr die Reihe meinen bedeutenden Kaͤſe-Vorrath. Hierbei aber miſchte ſich die Hafen-Polizei von Liſſabon auf eine, mir unbegreifliche Weiſe in’s Spiel, indem ſich zwei portugie- ſiſche Barken, deren Eine mit Militair be- ſetzt war, mir zu beiden Seiten legten. Der Kaͤſe ward, Stuͤck fuͤr Stuͤck, aus dem Raume hervorgelangt, aber auch von den beſtellten Aufſehern ſorgfaͤltig unterſucht, befuͤhlt und berochen, ob ſich nicht irgendwo eine faule oder verdaͤchtige Stelle zeigte. Jedes der Art warf man ſofort in die be- waffnete Barke; und als ich, erſtaunt, nach der Urſache eines ſo wunderlichen Verfah- rens forſchte, ward mir der Beſcheid: Kein Kaͤſe, der einen angekommenen oder gedruͤck- ten Fleck an ſich habe, werde, als der Ge- ſundheit hoch nachtheilig, im Lande zugelaſſen, ſondern ſofort in’s Waſſer geworfen. Ver- gebens erwiederte ich, daß in aller uͤbrigen Welt gerade der angefaulte Kaͤſe ſeine beſon- dern und haͤufigen Liebhaber finde: denn man meynte, dazu gehoͤre auch ein ketzeriſcher
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vor Augen zu legen und dadurch, zu ihrer
Aller Beſchaͤmung, aber auch deſto hoͤherer
Verwunderung, meine Wahrheitsliebe zu recht-
fertigen.
Bald darauf kam ich an’s Ausladen mei-
ner eingenommenen Guͤter; und nachdem ich
des Theers ledig geworden, traf nunmehr
die Reihe meinen bedeutenden Kaͤſe-Vorrath.
Hierbei aber miſchte ſich die Hafen-Polizei
von Liſſabon auf eine, mir unbegreifliche
Weiſe in’s Spiel, indem ſich zwei portugie-
ſiſche Barken, deren Eine mit Militair be-
ſetzt war, mir zu beiden Seiten legten. Der
Kaͤſe ward, Stuͤck fuͤr Stuͤck, aus dem
Raume hervorgelangt, aber auch von den
beſtellten Aufſehern ſorgfaͤltig unterſucht,
befuͤhlt und berochen, ob ſich nicht irgendwo
eine faule oder verdaͤchtige Stelle zeigte.
Jedes der Art warf man ſofort in die be-
waffnete Barke; und als ich, erſtaunt, nach
der Urſache eines ſo wunderlichen Verfah-
rens forſchte, ward mir der Beſcheid: Kein
Kaͤſe, der einen angekommenen oder gedruͤck-
ten Fleck an ſich habe, werde, als der Ge-
ſundheit hoch nachtheilig, im Lande zugelaſſen,
ſondern ſofort in’s Waſſer geworfen. Ver-
gebens erwiederte ich, daß in aller uͤbrigen
Welt gerade der angefaulte Kaͤſe ſeine beſon-
dern und haͤufigen Liebhaber finde: denn man
meynte, dazu gehoͤre auch ein ketzeriſcher
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/209>, abgerufen am 15.08.2024.
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