Kinder, vor, worinn mir berichtet wurde, daß der verunglückte T'Gelken-Schiffer gegen mich klagbar geworden und Schaden-Ersatz von mir verlange. Er rieth mir also, vor dem Gericht im Texel zu erscheinen und, sammt meiner Mannschaft, eine eidliche Er- klärung über den ganzen Hergang abzulegen; diese aber an ihn einzusenden, damit jenen Ansprüchen gehörig begegnet würde. Dies geschah; und aus der gerichtlichen Verneh- mung gieng genüglich hervor, daß jener Schiffer nicht nur sein Unglück sich selbst zugezogen, sondern auch mir selbst Noth und Schaden verursacht habe. Der endliche Er- folg war, daß Jener seiner Ansprüche weiter nicht verfolgte, daß ich aber auch meine eigne erlittene Einbuße verschmerzen mußte.
Jch gieng inzwischen aus dem Texel in See, und hatte in den ersten drei Wochen mit widrigen und stürmischen Winden zu schaffen, die mich in der Nordsee umher- warfen. Als ich jedoch Dover passirt war, wurden sie mir günstiger, obwohl sie bald in den stärksten anhaltenden Sturm ausarte- ten. Mein Schiff lief vor demselben in flie- gender Fahrt mit so unglaublicher Schnelle einher, daß ich -- was vielleicht zuvor nie erhört worden -- den Weg von Dover nach Lissabon binnen vier Tagen zurücklegte, und also in jeder Stunde, im Durchschnitt, viert-
Kinder, vor, worinn mir berichtet wurde, daß der verungluͤckte T’Gelken-Schiffer gegen mich klagbar geworden und Schaden-Erſatz von mir verlange. Er rieth mir alſo, vor dem Gericht im Texel zu erſcheinen und, ſammt meiner Mannſchaft, eine eidliche Er- klaͤrung uͤber den ganzen Hergang abzulegen; dieſe aber an ihn einzuſenden, damit jenen Anſpruͤchen gehoͤrig begegnet wuͤrde. Dies geſchah; und aus der gerichtlichen Verneh- mung gieng genuͤglich hervor, daß jener Schiffer nicht nur ſein Ungluͤck ſich ſelbſt zugezogen, ſondern auch mir ſelbſt Noth und Schaden verurſacht habe. Der endliche Er- folg war, daß Jener ſeiner Anſpruͤche weiter nicht verfolgte, daß ich aber auch meine eigne erlittene Einbuße verſchmerzen mußte.
Jch gieng inzwiſchen aus dem Texel in See, und hatte in den erſten drei Wochen mit widrigen und ſtuͤrmiſchen Winden zu ſchaffen, die mich in der Nordſee umher- warfen. Als ich jedoch Dover paſſirt war, wurden ſie mir guͤnſtiger, obwohl ſie bald in den ſtaͤrkſten anhaltenden Sturm ausarte- ten. Mein Schiff lief vor demſelben in flie- gender Fahrt mit ſo unglaublicher Schnelle einher, daß ich — was vielleicht zuvor nie erhoͤrt worden — den Weg von Dover nach Liſſabon binnen vier Tagen zuruͤcklegte, und alſo in jeder Stunde, im Durchſchnitt, viert-
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Kinder, vor, worinn mir berichtet wurde,
daß der verungluͤckte T’Gelken-Schiffer gegen
mich klagbar geworden und Schaden-Erſatz
von mir verlange. Er rieth mir alſo, vor
dem Gericht im Texel zu erſcheinen und,
ſammt meiner Mannſchaft, eine eidliche Er-
klaͤrung uͤber den ganzen Hergang abzulegen;
dieſe aber an ihn einzuſenden, damit jenen
Anſpruͤchen gehoͤrig begegnet wuͤrde. Dies
geſchah; und aus der gerichtlichen Verneh-
mung gieng genuͤglich hervor, daß jener
Schiffer nicht nur ſein Ungluͤck ſich ſelbſt
zugezogen, ſondern auch mir ſelbſt Noth und
Schaden verurſacht habe. Der endliche Er-
folg war, daß Jener ſeiner Anſpruͤche weiter
nicht verfolgte, daß ich aber auch meine
eigne erlittene Einbuße verſchmerzen mußte.
Jch gieng inzwiſchen aus dem Texel in
See, und hatte in den erſten drei Wochen
mit widrigen und ſtuͤrmiſchen Winden zu
ſchaffen, die mich in der Nordſee umher-
warfen. Als ich jedoch Dover paſſirt war,
wurden ſie mir guͤnſtiger, obwohl ſie bald
in den ſtaͤrkſten anhaltenden Sturm ausarte-
ten. Mein Schiff lief vor demſelben in flie-
gender Fahrt mit ſo unglaublicher Schnelle
einher, daß ich — was vielleicht zuvor nie
erhoͤrt worden — den Weg von Dover nach
Liſſabon binnen vier Tagen zuruͤcklegte, und
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/207>, abgerufen am 15.08.2024.
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