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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

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vor Anker; und daß er sich Preussische Certi-
ficate zu verschaffen gewußt hatte, lag dar-
aus klar am Tage, daß er zu Zeiten unsern
schwarzen Adler von seinem Hintertheile hatte
wehen lassen.

Am Morgen des königlichen Geburtsta-
ges war bei diesem meinem Nachbar Alles
in tiefster Ruhe, und weder Flagge, noch Wim-
pel, bei ihm zu verspüren. Erst spät hatt'
er sich den Schlaf aus den Augen gerieben:
aber sobald er sich auf dem Verdeck zeigte,
warf ich ihm die Frage in den Bart: Ob
er, gleich mir und so vielen Andern rings
um uns her, den König von Preussen nicht
auf herkömmliche Weise wolle hoch leben
lassen? -- "Das werd' ich wohl bleiben
lassen!" gab er zur Antwort -- "Was geht
mich euer König an?" -- Meine Erwiede-
rung fiel, wie sich leicht denken läßt, deutsch
und derbe aus: allein ohne etwas drauf zu
geben, wandte er mir den Rücken und ließ
sich an Land setzen.

"Topp!" gelobte ich mir selbst -- "Was
der Schuft zu thun nicht Lust hat, soll den-
noch von mir und in seinem Namen gesche-
hen!" -- Jch besaß zwei Gestelle Flaggen
und Wimpel, wovon das seidene bereits seit
Sonnenaufgang in meinem Tauwerk prangte
und flatterte; das andre baumwollene nahm
ich jetzt zur Hand, stieg mit ein paar Leuten

vor Anker; und daß er ſich Preuſſiſche Certi-
ficate zu verſchaffen gewußt hatte, lag dar-
aus klar am Tage, daß er zu Zeiten unſern
ſchwarzen Adler von ſeinem Hintertheile hatte
wehen laſſen.

Am Morgen des koͤniglichen Geburtsta-
ges war bei dieſem meinem Nachbar Alles
in tiefſter Ruhe, und weder Flagge, noch Wim-
pel, bei ihm zu verſpuͤren. Erſt ſpaͤt hatt’
er ſich den Schlaf aus den Augen gerieben:
aber ſobald er ſich auf dem Verdeck zeigte,
warf ich ihm die Frage in den Bart: Ob
er, gleich mir und ſo vielen Andern rings
um uns her, den Koͤnig von Preuſſen nicht
auf herkoͤmmliche Weiſe wolle hoch leben
laſſen? — „Das werd’ ich wohl bleiben
laſſen!‟ gab er zur Antwort — „Was geht
mich euer Koͤnig an?‟ — Meine Erwiede-
rung fiel, wie ſich leicht denken laͤßt, deutſch
und derbe aus: allein ohne etwas drauf zu
geben, wandte er mir den Ruͤcken und ließ
ſich an Land ſetzen.

„Topp!‟ gelobte ich mir ſelbſt — „Was
der Schuft zu thun nicht Luſt hat, ſoll den-
noch von mir und in ſeinem Namen geſche-
hen!‟ — Jch beſaß zwei Geſtelle Flaggen
und Wimpel, wovon das ſeidene bereits ſeit
Sonnenaufgang in meinem Tauwerk prangte
und flatterte; das andre baumwollene nahm
ich jetzt zur Hand, ſtieg mit ein paar Leuten

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[199/0203] vor Anker; und daß er ſich Preuſſiſche Certi- ficate zu verſchaffen gewußt hatte, lag dar- aus klar am Tage, daß er zu Zeiten unſern ſchwarzen Adler von ſeinem Hintertheile hatte wehen laſſen. Am Morgen des koͤniglichen Geburtsta- ges war bei dieſem meinem Nachbar Alles in tiefſter Ruhe, und weder Flagge, noch Wim- pel, bei ihm zu verſpuͤren. Erſt ſpaͤt hatt’ er ſich den Schlaf aus den Augen gerieben: aber ſobald er ſich auf dem Verdeck zeigte, warf ich ihm die Frage in den Bart: Ob er, gleich mir und ſo vielen Andern rings um uns her, den Koͤnig von Preuſſen nicht auf herkoͤmmliche Weiſe wolle hoch leben laſſen? — „Das werd’ ich wohl bleiben laſſen!‟ gab er zur Antwort — „Was geht mich euer Koͤnig an?‟ — Meine Erwiede- rung fiel, wie ſich leicht denken laͤßt, deutſch und derbe aus: allein ohne etwas drauf zu geben, wandte er mir den Ruͤcken und ließ ſich an Land ſetzen. „Topp!‟ gelobte ich mir ſelbſt — „Was der Schuft zu thun nicht Luſt hat, ſoll den- noch von mir und in ſeinem Namen geſche- hen!‟ — Jch beſaß zwei Geſtelle Flaggen und Wimpel, wovon das ſeidene bereits ſeit Sonnenaufgang in meinem Tauwerk prangte und flatterte; das andre baumwollene nahm ich jetzt zur Hand, ſtieg mit ein paar Leuten

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/203>, abgerufen am 22.11.2024.